“ … Der Schuldspruch wegen Beleidigung kann keinen Bestand haben:
1. Mit der Redewendung vom "seltsamen Vogel" oder – wie hier – mit der synonym zu verstehenden (neuzeitlichen) Wendung vom "komischen Vogel" wird seit jeher nicht mehr und nicht weniger als ein sonderbarer, (ver-)wunderlicher, eigentümlicher, merkwürdiger, befremdlicher oder mitunter auch “kauziger’ (vgl. daher die verwandte Redensart: “komischer Kauz’) Mensch bezeichnet. Ein ehrenrühriger Bedeutungsinhalt ist der umgangssprachlichen Redewendung darüber hinaus nicht beizumessen. Die Annahme einer Beleidigung i.S.d. § 185 StGB scheitert damit schon am äußeren Deliktstatbestand, ohne dass es noch darauf ankäme, ob der Angekl. die bereits objektiv nicht als ehrverletzend anzusehende, vielmehr von Art. 5 Abs. 1 GG als ohne Weiteres statthafte Meinungsäußerung gedeckte Redewendung in Ausübung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) gebraucht hat oder nicht. So findet sich die vermutlich schon auf vorchristliche lateinisch-römische Quellen (Juvenal) zurückzuführende Redensart ("Rara avis in terris, nigroque simillima cygno") in ihrer altdeutschen Fassung ("Es ist eyn seltzamer vogel") bei dem niederdeutschen Humanisten Eberhardus Tappius in seinem erstmals 1539 in Straßburg erschienen und seitdem vielfach neu aufgelegten Standardwerk “Germanicorum adagiorum cum latinis ac graecis collatorum Centuriae Septem’, einer 700 Sprichwörter griechischer, lateinischer und deutscher Herkunft umfassenden Kompilation als deutsche Redensart ebenso wieder wie etwa in seinen unterschiedlichen niederländischen Fassungen (u.a. "Het is een zeldzame vogel: onder duizend niet één") in dem seit 1858 in Utrecht in drei Teilen von P.J. Harrebomée (1809 – 1880) herausgegebenen“ Spreekwoordenboek der Nederlandische taal’ (vgl. für die jeweiligen Fundstellennachweise: Wander, Deutsches Sprichwörter-Lexikon, 4. Band <Sattel bis Wei>, Leipzig 1867, S. 1670, Nr. 599).
2. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass unbeschadet der vorstehenden Ausführungen von einer Grenzüberschreitung hin zur Schmähkritik auch dann keine Rede sein könnte, wenn die Äußerung des Angekl. im Gesamtkontext des Telefonats mit dem Zeugen und Antragsteller gewichtet wird. Zwar hat das LG seiner Wertung insoweit zutreffend vorangestellt, dass die in Rede stehenden Äußerungen, vom Wortlaut ausgehend, nach ihrem objektiven Sinngehalt (Erklärungsinhalt) unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände auszulegen sind und dass für die Annahme einer Beleidigung weder die subjektive Sicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen maßgeblich ist, sondern wie ein unbefangener verständiger Dritter diese verstehen musste (vgl. z.B. BGHSt 19, 235/237; BayObLGSt 2004, 46/48 [= zfs 2004, 334]; BayObLG NJW 2005, 1291 [= zfs 2005, 262] und Senatsurt. v. 24.10.2006 – 3 Ss 86/2006; ferner Schönke/Schröder-Lenckner StGB 27. Aufl. § 185 Rn 8 und Fischer StGB 55. Aufl. § 185 Rn 8). Gerade nach diesen Maßstäben erweist sich die Wertung des LG als “Schmähkritik’ jedoch als unzutreffend:
Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gibt jedermann das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen sind Meinungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten folglich sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Auf diese persönliche Stellungnahme bezieht sich der Grundrechtsschutz, der deshalb unabhängig davon besteht, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Der Schutz bezieht sich jedoch nicht nur auf den Inhalt der Äußerung, sondern auch auf ihre Form. Denn der sich Äußernde hat nicht nur das Recht, überhaupt seine Meinung kundzutun. Er darf vielmehr dafür auch diejenigen Umstände wählen, von denen er sich die größte Verbreitung oder die stärkere Wirkung seiner Meinungskundgabe verspricht. Selbst eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht eine Äußerung deshalb nicht dem Schutzbereich der Grundrechtsnorm (st.Rspr. vgl. z.B. BVerfGE 93, 266/289 f; BVerfG NJW 1995, 3303 und zuletzt BVerfG <1. Kammer des Ersten Senats>, Beschl. v. 24.5.2006 – 1 BvR 49/00 u.a., jeweils m.w.N.). Auch das Strafrecht wertet selbst tatbestandliche Ehrverletzungen dann nicht als rechtswidrig, wenn der Beschuldigte seine entsprechenden Meinungsäußerungen "zur Wahrnehmung berechtigter Interessen" abgibt (§ 193 StGB).
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist andererseits nicht unbegrenzt gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Grundrechtsbeschränkende Vorschriften des einfachen Rechts sind ihrerseits wiederum im Licht des eingeschränkten Grundrechts auszulegen, damit dessen wertsetzende Bedeutung für das einfache Recht auch ...