“Die Klage ist überwiegend unbegründet. Die Klägerin hat – über die von der Beklagten zu 2) im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits geleisteten Zahlungen lediglich Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten in der tenorierten Höhe für die vorprozessuale Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten, §§ 7, 18 StVG, 115 VVG (n.F.). Weiter gehende Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu.
I. Zwar haftet der Beklagte zu. 1) gem. §§ 7, 18 StVG dem Grunde nach verschuldensunabhängig für die Schäden an dem Fahrzeug der Klägerin auf Grund des Verkehrsunfalls vom 6.9.2007, weil der Unfall bei dem Betrieb des von ihm geführten Fahrzeuges eingetreten und nicht auf “höhere Gewalt’ zurückzuführen ist. Die entsprechende Haftung der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherung beruht auf § 115 VVG (n.F.). Allerdings haftet auch die Klägerin verschuldensunabhängig für die Unfallfolgen, weil der Unfall gleichsam bei dem Betrieb des von ihr gehaltenen Fahrzeuges eingetreten ist. Die gem. § 17 StVG erforderliche Abwägung der gegenseitigen Betriebgefahren und Verursachungsbeiträge, bei der nur feststehende, d.h. entweder unstreitige oder bewiesene Tatsachen zu Grunde zu legen sind, ergibt, dass beide Parteien jeweils zu 50 % für die Unfallschäden haften. Unstreitig hat sich der Unfall beim Abbiegen des Zeugen in eine Grundstückseinfahrt und beim Rückwärtsfahren des Beklagten zu 1) ereignet. Beide Fahrzeugführer trifft dabei gem. § 9 Abs. 5 StVO die Verpflichtung, sich bei dem Fahrmanöver so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Der Beklagte zu 2) hat gegen diese Verpflichtung verstoßen, weil sich aus der zu Grunde liegenden Unfallkonstellation ergibt, dass er bei seiner Rückwärtsfahrt mit dem Fahrzeug der Klägerin kollidiert ist. Wie das vorliegende Unfallgeschehen zeigt, war der von ihm vorgenommene Schulterblick über die rechte Schulter keinesfalls ausreichend, um das hinter ihm befindliche Fahrzeug der Klägerin rechtzeitig zu erkennen.
Andererseits spricht jedoch auch ein Anschein dafür, dass der Zeuge bei dem Abbiegemanöver in die Grundstückseinfahrt die gem. § 9 Abs. 5 StVO erforderliche besondere Sorgfalt nicht beachtet hat. Denn wenn der Unfall – wie im vorliegenden Fall – in einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem solchen Abbiegemanöver steht, spricht ein Anschein für einen entsprechenden Verstoß gegen diese besondere Sorgfaltspflicht. Dieser Anschein wird nicht allein deswegen entkräftet, weil der andere Unfallbeteiligte gleichzeitig rückwärts gefahren ist. Denn der Abbiegende muss, solange es sich jedenfalls nicht um eine Richtungsfahrbahn handelt, grundsätzlich auch mit dem Rückwärtsfahren anderer Verkehrsteilnehmer rechnen und gegebenenfalls von seinem Fahrmanöver Abstand nehmen (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 21.7.2007, 14 U 176/07).
Die Klägerin hat den gegen den Zeugen sprechenden Anscheinsbeweis nicht entkräftet. Entscheidend ist hierfür nicht, ob ihr Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden hat, und dass der Beklagte zu 1) rückwärts in das stehendes Fahrzeug hinein gefahren ist, sondern vielmehr, welches Fahrverhalten des Zeugen der Kollision vorangegangen ist. Diesbezüglich widersprechen sich die Angaben des Beklagten zu 1) und des Zeugen. Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der gem. § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass im vorliegenden Fall gerade die Unfallschilderung des Zeugen richtig, und die Angaben des Beklagten zu 1) unzutreffend sind. Der Beweiswert der Aussage des Zeugen ist im Ergebnis nämlich nicht ausreichend, um eine entsprechende Überzeugung hervorzurufen. Die Erfahrung zeigt, dass gerade diejenigen Zeugen, die selbst unmittelbar an einem Unfall beteiligt sind, manchmal bewusst, sehr häufig aber auch unbewusst, bei ihrer Vernehmung einen Sachverhalt schildern, der objektiv nicht in der von ihnen geschilderten Weise stattgefunden hat. Dass die Wahrnehmungen der Unfallbeteiligten und die Realität häufig auseinander fallen, wird schon durch den Eintritt des Unfallereignisses belegt, das nämlich zumeist auf subjektive Fehleinschätzungen der Beteiligten zurückzuführen ist. Entscheidend ist insofern für den Beweiswert und die Überzeugungskraft der Aussage eines Unfallbeteiligten, ob im konkreten Fall andere Beweismittel oder objektive Anhaltspunkte vorhanden sind, die die Angaben des Zeugen stützen. Derartige Anhaltspunkte liegen hier jedoch nicht vor.
Weitere, insbesondere unbeteiligte Zeugen, sind von der Klägerin nicht benannt worden und stehen hier offensichtlich auch nicht zur Verfügung.
Die Tatsache, dass das Fahrzeug der Klägerin zum Zeitpunkt der Kollision gestanden hat, stellt lediglich eine Momentaufnahme dar, die keinen Rückschluss auf das vorangegangene Fahrverhalten des Zeugen zulässt. Diese Tatsache lässt es sowohl möglich erscheinen, dass der Zeuge bereits längere Zeit quer auf der Gegenfahrspur gestanden haben könnte, um Fußgänger vorbei zu lassen, die die Grundst...