VV RVG Nr. 3401; ZPO § 91 Abs. 1
Leitsatz
1. Der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der mit der Terminswahrnehmung am Prozessgericht beauftragt ist, steht nicht entgegen, dass dieser Termin wieder abgesetzt und eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wurde, sofern bei Einschaltung des Unterbevollmächtigten noch mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gerechnet werden musste und die Absetzung des Termins nicht absehbar war.
2. Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der mit der Terminswahrnehmung am Prozessgericht beauftragt ist, sind auch dann erstattungsfähig, wenn diese Beauftragung bereits längere Zeit vor dem Verhandlungstermin erfolgte. Für die Erstattungsfähigkeit ist allein entscheidend, dass zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch den Hauptbevollmächtigten bereits ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt ist.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 24. 7. 2008 – 12 W 1464/08
Sachverhalt
Das OLG Nürnberg hatte im Berufungsverfahren am 20.3.2008 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7.5.2008 anberaumt. Diese Terminsladung erhielten die Prozessbevollmächtigten der Parteien am 26. bzw. am 28.3.2008. Die auswärtige wohnhafte Beklagte beauftragte die in Nürnberg kanzleiansässigen RAe, den Verhandlungstermin für sie als Unterbevollmächtigte wahrzunehmen. mit Schriftsatz vom 15.4.2008 zeigten die Anwälte die Vertretung der Beklagten an. Nachdem die Klägerin unter dem 17.4.2008 die Klage zurückgenommen hatte, wurde der Verhandlungstermin abgesetzt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren machte die erstattungsberechtigte Beklagte u.a. die Festsetzung der von den Unterbevollmächtigten berechneten Kosten geltend, nämlich eine 0,8 Verfahrensgebühr nebst Postentgeltpauschale. Die Rechtspflegerin des LG Regensburg hat den Kostenfestsetzungsantrag insoweit zurückgewiesen, weil die Einschaltung der Nürnberger Unterbevollmächtigten verfrüht gewesen sei. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte – teilweise – Erfolg.
Aus den Gründen
“ … Für die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex-ante als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf dabei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen.
Nach diesen Maßstäben sind die Kosten für einen Unterbevollmächtigten, der mit der Terminswahrnehmung am Prozessgericht beauftragt ist, nur dann erstattungsfähig, soweit dadurch erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären. Dabei schadet es nicht, wenn die für die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten. anfallenden Kosten die ansonsten angefallenen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten um bis zu 10 % übersteigen.
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen steht der Erstattungsfähigkeit der der Beklagten entstandenen Kosten der Unterbevollmächtigten nicht bereits der Umstand entgegen, dass es tatsächlich nicht zur Durchführung eines Verhandlungstermins gekommen ist. Zwar sind deshalb erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten faktisch nicht erspart. Auch bei Nichteinschaltung der Unterbevollmächtigten wären nämlich derartige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten – auf Grund der Aufhebung des Verhandlungstermins – nicht entstanden.
Die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Unterbevollmächtigten hat der BGH für den Fall des tatsächlichen Anfalls von Reisekosten entschieden. Nichts anderes kann aber in der Regel gelten, sofern es – wie hier – zur Einschaltung des Unterbevollmächtigten zu einem Zeitpunkt gekommen ist, zu dem noch mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gerechnet werden musste. Entscheidet sich eine Partei wie hier – trotz entstehender Mehrkosten – für eine Unterbevollmächtigung, darf sie davon ausgehen, dass die Kosten der Unterbevollmächtigung in Höhe erstattungsfähiger Reisekosten des Hauptbevollmächtigten festsetzungsfähig sind. Die Absetzung eines zuvor anberaumten Termins fällt in solchen Fällen grundsätzlich nicht in den Risikobereich einer Partei (OLG Schleswig NJW-RR 2004, 1008; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rn 13 Stichwort “Unterbevollmächtigter’).
Etwas anderes mag bei der gebotenen ex-ante-Beurtellung gelten, wenn bereits zum Zeitpunkt der Einschaltung des Unterbevollmächtigten die Aufhebung des Termins absehbar war. Hierfür bestehen im konkreten Fall jedoch keine Anhaltspunkte.
c) Die Beschwerde rügt, die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten sei im konkreten Fall nicht verfrüht gewesen.
Entscheidendes Kriterium ist insoweit lediglich, ob zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch die Hauptbevollmächtigten bereits ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt gewesen ist....