Die Rspr. des BGH zur Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten, die durch die Einschaltung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten angefallen sind, ist von jeher unternehmensfreundlich. Eine Naturalpartei ist im Regelfall erstattungsrechtlich gehalten, einen Prozessbevollmächtigten an ihrem Wohnsitz zu beauftragen, siehe BGH BRAGOreport 2003, 13 (Hansens) = NJW 2003, 898 = AnwBl. 2003, 309 = JurBüro 2003, 202 = AGS 2003, 97. Demgegenüber nimmt der BGH in erstattungsrechtlicher Hinsicht bei Unternehmen ganz überwiegend auf deren innerbetriebliche Organisation Rücksicht. Führt diese dazu, dass ein auswärtiger Prozessbevollmächtigter eingeschaltet wird, muss der erstattungspflichtige Gegner dies hinnehmen.
Ein entscheidendes Problem dieser Rspr. ist nicht nur der Anstieg der erstattungsfähigen Kosten. Vielmehr kann sich der Gegner auf die zu erwartende Höhe der Kosten nicht vor Beginn des Rechtsstreits einstellen. Die unternehmensinterne Organisation ist dem Prozessgegner häufig vor Beginn des Rechtsstreits gar nicht bekannt. So kann nach der Rspr. des BGH selbst ein Unternehmen mit Sitz am Prozessgericht Terminsreisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten mit Kanzlei an dem Ort, an dem ein Fremdunternehmen, das mit der Verwaltung und Abwicklung des den Streitstoff bildenden Vertragsverhältnisses beauftragt ist, erstattet verlangen.
Dieses Problem wird noch durch die st. Rspr. des BGH, so etwa aus neuerer Zeit BGH RVGreport 2010, 156 (Hansens) = JurBüro 2010, 369, verschärft, nach der die Terminsreisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten in vollem Umfang und nicht etwa beschränkt auf die fiktiven Mehrkosten für einen Terminsvertreter zu erstatten sind. Hat die unterliegende Partei das Pech, dass der Rechtsstreit in der Instanz erst nach mehreren Verhandlungsterminen beendet ist und reist zu jedem dieser Verhandlungstermine ein Rechtsanwalt von dem Ort an, bei dem das streitige Rechtsverhältnis von einem Fremdunternehmen betreut wird, so können leicht Terminsreisekosten in vierstelliger Höhe zusammenkommen. Meiner Kammer lagen Fälle vor, bei denen es um die Rückzahlung einer Mietkaution in Höhe von gut 1.000 EUR ging und allein die erstattungsfähigen Terminsreisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten des Vermieters die Hauptforderung überstiegen haben. In vielen Fällen ist es kostengünstiger, wenn der Prozessbevollmächtigte des auf Rückzahlung der Kaution klagenden Mieters seinem Mandanten rät, die Klage sofort zurückzunehmen, wenn er bemerkt, dass der bekl. Vermieter sich durch einen auswärtigen Prozessbevollmächtigten vertreten lässt.
Der mit der Prozessführung beauftragte Anwalt, der seinen Auftraggeber auch über das Kostenrisiko beraten muss, kann seinem Mandanten angesichts der Rspr. des BGH zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten praktisch lediglich die Auskunft geben, dass dieses Risiko nicht zu überschauen ist.
Heinz Hansens