[3] "… Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Revision sind Sozialabgaben und Lohnnebenkosten Bestandteile des im Rahmen einer “fiktiven‘ Schadensabrechnung i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nach einem Verkehrsunfall zu erstattenden Schadens."
[4] 1. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Gläubiger, wenn wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach st. Rspr. des erkennenden Senats darf der Geschädigte dabei seiner (fiktiven) Schadensberechnung grds. die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. Senatsurt. v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1 ff.; v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn 8; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096, 1097; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 f.; v. 13.7.2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 f.).
[5] 2. Entgegen der Auffassung der Revision widerspricht die Berücksichtigung fiktiver Sozialabgaben und Lohnnebenkosten bei der Berechnung der erstattungsfähigen Reparaturkosten weder dem Wirtschaftlichkeitsgebot noch dem Bereicherungsverbot. Denn das Vermögen des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten ist um denjenigen Betrag gemindert, der aufgewendet werden muss, um die beschädigte Sache fachgerecht zu reparieren. Zu den erforderlichen Wiederherstellungskosten gehören, wie sich aus dem von der Revision selbst in Bezug genommenen Senatsurt. v. 19.6.1973 – VI ZR 46/72 (BGHZ 61, 56, 58 f.) ergibt, grds. auch allgemeine Kostenfaktoren wie Umsatzsteuer, Sozialabgaben und Lohnnebenkosten. Deshalb hat der Senat in der vorgenannten Entscheidung vor dem Inkrafttreten des Zweiten Schadensrechtsänderungsgesetzes bei einer “fiktiven‘ Schadensabrechnung die Mehrwertsteuer beim nicht vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten als echten Schadensposten anerkannt und ausgeführt, der steuertechnisch bedingte getrennte Ausweis der Mehrwertsteuer ändere nichts daran, dass sie als objekt- bzw. leistungsbezogene allgemeine Abgabe auf den Verbrauch nicht weniger ein allgemeiner Kostenfaktor sei als andere öffentliche Abgaben, welche direkt oder indirekt in die Kosten und damit in den Preis einer Ware oder Leistung Eingang gefunden haben.
[6] 3. Soweit der Gesetzgeber nunmehr durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die Erstattung nicht angefallener Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung ausdrücklich vom Schadensersatzanspruch ausgenommen hat, hat er hiermit lediglich einen – systemwidrigen – Ausnahmetatbestand geschaffen, der nicht analogiefähig ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 249 Rn 14; Prütting/Wegen/Weinreich/Medicus, BGB, 7. Aufl., § 249 Rn 29; MüKo-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn 459; Beck-OK-BGB/Schubert, Stand: 03/2011, § 249 Rn 226 f.; AG Worms, Urt. v. 5.1.2012 – 2 C 399/11; AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urt. v. 2.5.2012 – 2 C 79/12; AG Bielefeld, Urt. v. 29.5.2012 – 402 C 124/12; AG St. Goar, Urt. v. 16.9.2011 – 33 C 406/11, juris Rn 9; a.A. Clos, r+s 2011, 277 ff. m.w.N.).
[7] a) Die Revision weist selbst darauf hin, dass sich aus den Gesetzesmaterialien (vgl. insb. BT-Drucks 14/7752, S. 13) ergibt, dass der Entwurf eines Zweiten Schadensrechtsänderungsgesetzes aus der 13. Legislaturperiode zunächst vorsah, bei einer fiktiven Abrechnung von Sachschäden die öffentlichen Abgaben außer Ansatz zu lassen. Dieser Vorschlag ist indes auf vielfältige Kritik gestoßen. Dieser Kritik hat der Gesetzgeber im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens Rechnung getragen und auf einen Abzug sämtlicher öffentlicher Abgaben bewusst verzichtet und sich auf die Umsatzsteuer als größten Faktor unter den “durchlaufenden Posten‘ beschränkt. Fehlt es mithin an einer Regelungslücke, kommt eine entsprechende Anwendung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB auf andere “öffentliche Abgaben‘ nicht in Betracht.
[8] b) Soweit es nach den Gesetzesmaterialien der Rspr. überlassen werden sollte, das Sachschadensrecht “zu konkretisieren und zu entwickeln‘, vermag dies dem Senat nicht den Weg zu einer Abweichung vom geltenden Recht und zu einer von der Revision erwünschten, aber vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Gleichstellung von Umsatzsteuer und anderen “öffentlichen Abgaben‘ zu eröffnen.
[9] c) Entgegen der Auffassung der Revision führt eine Erstattung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrags gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ohne Abzug von Sozialabgaben und Lohnnebenkosten nicht zwangsläufig zu einer Überkompensation des Geschädigten. Sie ist vielmehr lediglich die rechtliche Folge der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, wonach der Geschädigte bei der Beschädigung einer Sache statt der Naturalrestitution i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB Geldersatz verlangen kann (sog. Ersetzungsbefugnis). Zu ersetzen ist dabei das Integritätsinteresse, d.h. der Geldbetrag, der zur Herstellung des Zustand...