" … II. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung der Bekl. ist zulässig, aber unbegründet. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urt. (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch kommt der Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Jedenfalls hat die Bekl. solche Gründe nicht ausreichend dargelegt, § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO."
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urt. bestehen nicht. Die Bekl. meint, dass es sich bei der MS um eine Erkrankung mit fortschreitendem Verlauf handele, weshalb eine Überwachung des Krankheitsverlaufs nach einer entsprechenden Diagnose auf jeden Fall geboten sei. Ziff. 3.9.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sehe bei fortschreitenden Erkrankungen in angemessenen Zeitabständen eine Untersuchung vor. Dies müsse auch bei einer MS mit mildem Verlauf gelten, wie sie für die Kl. prognostiziert worden sei. Studien hätten ergeben, dass es auch hier langfristig zu schweren Ausfallerscheinungen und im fortschreitenden Verlauf zu schweren Störungen kommen könne. Unabhängig von der Frage der angemessenen Zeitabstände sei die Vorlage künftiger ärztlicher Bescheinigungen im Hinblick auf die Fahreignung der Kl. jedenfalls grundsätzlich geboten.
Diese Darlegungen stellen die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urt. nicht ernstlich in Frage. Der Senat folgt vielmehr der Auffassung des VG, dass allein die Diagnose einer milden MS ohne die zeitgleiche Feststellung weiterer Auffälligkeiten und ohne die Erwartung von Auffälligkeiten in den nächsten Jahren die Annahme einer nur bedingten Fahreignung und damit die Anordnung regelmäßiger Nachuntersuchungen nicht rechtfertigt.
Zutreffend und von der Bekl. unbeanstandet geht das VG davon aus, dass § 46 Abs. 2 S. 1 FeV tatbestandlich eine nur bedingte Eignung zum Führen von Kfz voraussetzt und dass die bedingte Eignung – ebenso wie die Ungeeignetheit – einen Eignungsmangel i.S.d. § 3 Abs. 1 StVG, § 11 Abs. 1 StVG voraussetzt, insb. eine Krankheit oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV, aufgrund derer die Eignung nur unter Einschränkungen angenommen werden kann (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 2 StVG Rn 42, 70; § 23 FeV Rn 11; für Inhaber einer Fahrerlaubnis: § 46 FeV Rn 12). Neben den dort aufgeführten körperlichen oder geistigen Mängeln können Krankheiten generell eine Nichteignung/nur bedingte Eignung bewirken, wenn sie die Fahrtüchtigkeit entweder ständig unter das erforderliche Maß herabsetzen oder auch nur die erhebliche Gefahr einer plötzlich und überraschend eintretenden Fahruntüchtigkeit bilden (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 2 StVG Rn 8a).
Die Erkrankung MS ist in der Aufstellung der Anlage 4 FeV nicht aufgeführt. Die Aufstellung ist allerdings nicht abschließend (Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 11 FeV Rn 19). Sie betrifft Erkrankungen und Mängel, die typischerweise die Eignung zum Führen von Kfz längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Nicht aufgenommen sind Erkrankungen, die seltener vorkommen oder nur kurzzeitig andauern (Vorbemerkung 1 zur Anlage 4). Während die Erkrankungen und Mängel nach der Anlage 4 FeV die Vermutung der Fahreignungsrelevanz in sich tragen, ist bei sonstigen Erkrankungen neben der Frage des Vorliegens bzw. des Ausprägungsgrades auch zu fragen, ob ein hinreichend enger Zusammenhang mit den spezifischen Anforderungen der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr gegeben ist. Das bedeutet, dass zu klären ist, ob das Krankheitsbild geeignet ist, sich im Straßenverkehr gefahrerhöhend auszuwirken (OVG Lüneburg, Urt. v. 18.4.2016 – 12 LB 178/15, juris Rn 34 m.w.N.). In Bezug auf die motorischen Fähigkeiten wird die MS wie eine Erkrankung/Verletzung des Rückenmarks und deren Folgen gem. Anlage 4 FeV Nr. 6.1 behandelt (vgl. Stein/Dettmers in: Dettmers/Weiler [Hrsg.], Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen, 2004, S. 59; Küst/Dettmers, Fahreignung bei Multipler Sklerose, Der Nervenarzt 7/2014, 829) und insoweit als fahreignungsrelevant betrachtet. Auf dieser von der Bekl. nicht beanstandeten Grundlage kommt das VG allerdings zu dem Schluss, dass die Auflage zu Nachuntersuchungen allein aufgrund der Diagnose der MS-Erkrankung im Falle der Kl. nicht in Betracht kommt, weil eine nur bedingte Eignung für die Fahrerlaubnis der Klasse B gem. Nr. 6.1 (nur) in Abhängigkeit von der Symptomatik angenommen werden könne (Spalte 1) und erst dann “bei fortschreitendem Verlauf‘ Beschränkungen/Auflagen in Form von Nachuntersuchungen in Frage kämen (Spalte 3). Da es bei der Kl. ausweislich der vorliegenden ärztlichen Erkenntnisse jedoch bereits an einer entsprechenden Symptomatik als maßgeblicher Anknüpfungstatsache fehlt und mit solchen in den nächsten Jahren auch nicht zu rechnen ist – dies stellt auch die Bekl. nicht in Frage –, konnte auch eine nur bedingte Fahreignung nicht angenommen werden.
Dieses Ergebnis unterliegt aus den...