" … II. Die Berufung der Bekl. hat einen Teilerfolg, weil der Senat die maßgebliche Frage der Haftung der unfallbeteiligten Parteien anders beurteilt als das LG."
1. Die Haftung der Bekl. für das Unfallereignis ergibt sich aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, während sich die Mithaftung der Kl. nach § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB richtet.
Dass sich die vom Beklagtenfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr bei der Entstehung des Unfalls ausgewirkt hat, ist unzweifelhaft. Ferner hat zur Entstehung des Unfalls ein Mitverschulden der Kl. beigetragen, die einen Vorfahrtsverstoß i.S.d. § 8 Abs. 1 StVO begangen hat. Sie hatte nämlich an der fraglichen Kreuzung die Vorfahrtsregel “rechts vor links‘ zu beachten. Die Kl. hat selbst vorgetragen, sie habe das von der Bekl. zu 1) gesteuerte Fahrzeug beim Einfahren in die als Rondell ausgestaltete Kreuzung gesehen, jedoch angenommen, den Kreuzungsbereich noch vor diesem Fahrzeug verlassen zu können, weil das Beklagtenfahrzeug sehr langsam gefahren sei. Mithin ist unstreitig, dass das Beklagtenfahrzeug als bevorrechtigtes Fahrzeug zu erkennen war, als die Kl. in die Kreuzung einfuhr. Ihre Einschätzung, den Kreuzungsbereich noch vor dem Beklagtenfahrzeug räumen zu können, hat sich leider nicht bewahrheitet. Die Kl. hätte in der konkreten Situation den Vorrang des Beklagtenfahrzeuges beachten und das Überqueren der Kreuzung zurückstellen müssen.
Der Unfall ereignete sich noch in dem Bereich, in welchem das Fahrzeug der Bekl. zu 1) gegenüber der Kl. bevorrechtigt war.
Den Vorfahrtsbereich bilden das Einmündungsviereck und die linke Hälfte der untergeordneten Straße, d.h. die gesamte Kreuzungsfläche in ganzer Fahrbahnbreite, bei rechtwinkeligen Kreuzungen begrenzt durch die Fluchtlinien beider Fahrbahnen. Bei trichterförmiger Einmündung der bevorrechtigten Straße ist dies der Bereich einschließlich der Fläche bis zu den Endpunkten des Trichters (König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 8 StVO Rn 28 m.w.N.). Hiervon ausgehend ereignete sich der Zusammenstoß, wie auch die Lichtbilder vom Unfallort belegen, in dem der Bekl. zu 1) die Vorfahrt einräumenden Bereich.
Selbst wenn man den Vorfahrtsbereich ohne Berücksichtigung des Einmündungstrichters bestimmen wollte, ereignete sich die Kollision möglicherweise ganz knapp außerhalb des durch die seitlich gezogenen Fluchtlinien definierten Bereichs. Das änderte nichts an der Feststellung eines Vorfahrts verstoßes seitens der Kl. Denn der Wartepflichtige muss gegenüber sichtbaren Berechtigten im Kreuzungsbereich bis zur vollständigen Einordnung das Vorfahrtsrecht beachten, auch wenn sich die Fahrbahnen erst jenseits der Kreuzung berühren. Die Wartepflicht entfällt erst dann, wenn der Wartepflichtige schon auf der Kreuzung ist und ausreichend Vorsprung gewonnen hat. Daraus folgt, dass der Wartepflichtige sicherstellen muss, dass er die Kreuzung vor dem Vorfahrtsberechtigten räumen kann. Dass es zum Zusammenstoß gekommen ist belegt, dass dies seitens der Kl. nicht sichergestellt werden konnte. Dabei entlastet die Kl. nicht, dass sich die Bekl. zu 1), wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergeben wird, selbst vorschriftswidrig verhalten hat, als sie in das Rondell eingefahren ist. Denn das eigene vorschriftswidrige Verhalten des Vorfahrtsberechtigten lässt dessen Vorfahrtsrecht nicht entfallen (König, a.a.O., Rn 30).
Des Rückgriffs auf die Anscheinsbeweisgrundsätze bedarf es, nachdem ein Vorfahrtsverstoß der Kl. positiv festgestellt werden kann, entgegen der Ansicht des LG nicht.
Der Senat vermag – anders als das LG – einen Verstoß der Kl. gegen das sich aus § 2 Abs. 2 StVO ergebende Rechtsfahrgebot nicht festzustellen. Es ist schon vom Schutzzweck her fraglich, ob die einbiegende und nicht im Längsverkehr mit der Kl. befindliche Bekl. zu 1) – und damit auch die Bekl. zu 2) – sich überhaupt auf einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot berufen könnte (vgl. dazu allgemein nur König, a.a.O., § 2 StVO, Rn 33). Die Kl. ist im Übrigen mit ihrem Fahrrad geradeaus gefahren. Dass sich zu ihrer rechten Hand der Einmündungstrichter der L-Straße öffnete und sie nicht in diesen hineingefahren ist, sondern sie in Beibehaltung der vorher eingenommenen Fahrlinie das Rondell durchquert hat, begründet bereits erhebliche Zweifel in Bezug auf die Annahme eines Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot. Jedenfalls lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass dieser Verstoß sich ursächlich auf den Unfall ausgewirkt hat. Eine entsprechende Überzeugung hat sich auch das LG nicht verschaffen können, das sich insoweit lediglich auf eine nicht durch Tatsachen belegte Vermutung stützt.
Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass auch die Bekl. zu 1) ein gravierendes Verschulden an der Entstehung des Unfalls trifft. Denn diese hat das in das Rondell einfahrende Fahrrad der Kl. offensichtlich übersehen, als sie den Entschluss fasste, in das Rondell einzufahren, oder aber versäumt, vor der Einfahrt nac...