Hinter der Bezeichnung der "Effektivierung des Rechtsbehelfsweges" versteckt sich eine rigorose Verkürzung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten des Betroffenen. Die Gesetzesreform fußt auf der falschen Grundannahme, Rechtsanwälte würden im Bußgeldverfahren in der Regel Anträge stellen und Rechtsmittel zu verfahrensfremden Zwecken, z.B. zur Prozessverschleppung, erheben, und daher die bisherigen Vorschriften ad absurdum führen. Dass Betroffene, ggf. anwaltlich vertreten, Gerichte schwerpunktmäßig missbräuchlich in Anspruch nehmen, stimmt jedoch nicht. Dies ist allenfalls in einer eher zu vernachlässigenden Anzahl von Verfahren festzustellen. Ferner ist es eine Unterstellung, dass Rechtsanwälte diese Rechtsmittel "unter gleichzeitiger Kenntnis deren inhaltlicher Erfolglosigkeit" einlegen würden. Die im Gesetzesentwurf beschriebene Fallgestaltung mit einem Zug des Betroffenen durch drei Instanzen, in dem weder der Betroffene noch sein Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin erscheint, und sich sodann ein Wiedereinsetzungsantrag anschließt mit dagegen erhobenen weiteren Rechtsbehelfen, ist eher konstruiert und kommt in der Praxis nicht oft vor. Hiermit wird aber eine Rechtsbehelfsverkürzung besonderen Ausmaßes begründet. Ein objektiver Anlass für die Gesetzesänderungsvorschläge erscheint von daher nicht vorhanden zu sein.
Tatsächlich muss man bei dem derzeitigen Verständnis einiger Richter von einer Beweisaufnahme im Bußgeldverfahren fragen, ob es eines Termins in Bußgeldsachen wirklich bedarf, wenn nur noch einzelne Seiten aus der Akte verlesen werden. Dieser derzeitige Zustand ist bereits vom Schrifttum kritisiert worden. Die Kritik zielte aber darauf ab, wieder eine echte Beweisaufnahme möglich zu machen, die mit dem Mündlichkeitsgrundsatz der StPO vereinbar ist, etwa den Messbeamten persönlich zu vernehmen. Stattdessen will der Gesetzgeber offenbar nunmehr im Regelfall Termine abschaffen. Hauptverhandlungen sollen im Regelfall nur auf Antrag, also ausnahmsweise stattfinden. Wenn damit das Kernstück des Verfahrens entfällt, lässt dies Bedenken im Hinblick auf rechtsstaatlichen Mindestanforderungen aufkommen. Wenn dagegen im Entwurf argumentiert wird, der Betroffene könne sich ja auch schriftlich äußern, und schließlich seien vorher auch die Bußgeldstelle und die Staatsanwaltschaft zuständig gewesen, so erlebt man in der Praxis, dass Schriftsätze oftmals nur abgeheftet werden oder sich Gerichte damit nur ernsthaft befassen, wenn der Vortrag im Termin erfolgt. Eine eigenständige Entscheidung der Staatsanwaltschaft über eine Einstellung des Verfahrens oder den Wegfall eines Fahrverbots ist dem Verfasser nicht in einem einzigen Fall seiner beruflichen Tätigkeit vorgekommen.
Dass eine Hauptverhandlung im Regelfall nicht mehr ohne den Betroffenen stattfinden kann, wenn das Gericht ein Vorgehen im schriftlichen Verfahren angeregt hat, leuchtet nicht ein. Insbesondere bei einer Überprüfung der technisch-physikalischen Richtigkeit der Messung reicht die Anwesenheit des Verteidigers. Ferner scheint es auch unlogisch, den Betroffenen zum Termin auch dann erscheinen zu lassen, wenn er angekündigt hat, im Termin zu schweigen und hier von einem Rechtsanwalt vertreten wird. Ist das Erscheinenmüssen des Betroffenen etwa eine Retourkutsche des Gerichts dafür, dass er einen Antrag auf Durchführung eines Termins beantragt und damit die Justiz belastet hat? Ein sachlicher Grund kann jedenfalls nicht nachvollzogen werden. Der Gesetzesentwurf erscheint an dieser Stelle auch nicht durchdacht. Einerseits sieht 73 Abs. 2 OWiG-E weiterhin vor, dass der Betroffene von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden kann. Andererseits muss der Betroffene, wenn er nach § 72 OWiG-E eine Hauptverhandlung beantragt, persönlich erscheinen und darf auch nicht entbunden werden. Ein solcher Antrag wäre dann nach 73 Abs. 4 OWiG-E sogar unzulässig. Es ist von daher kaum noch Raum für eine Entbindung mehr vorhanden. Die Vorschriften im Gesetzesentwurf widersprechen sich daher. Raum für eine Entbindung ist nur noch im künftig voraussichtlich eher seltenen Fall, in dem das Gericht eine Hauptverhandlung für erforderlich hält und nicht im schriftlichen Beschlusswege entscheiden will, quasi wenn das Gericht die ihm eingeräumten Möglichkeiten zum vereinfachten Vorgehen nicht nutzen will. Warum soll der Betroffene aber ausgerechnet in bedeutenden Fällen, in denen ein mündlicher Termin notwendig ist, fehlen dürfen? Dies kann nicht nachvollzogen werden.
Dass künftig die Amtsgerichte mit dem Argument von Urteilsgründen absehen dürfen, dass der Betroffene schließlich mit dem Bußgeldbescheid ein schriftliches Dokument in Händen hält, aus dem sich der konkrete Tatvorwurf ebenso ergibt wie die gesetzliche Rechtsfolge, liest sich wie ein schlechter Witz. Auf die Strafprozessordnung übertragen bedeutete dies, dass kein Strafurteil mit Gründen mehr notwendig ist, da dem Angeklagten schließlich die Anklageschrift übersandt wurde. G...