AVB Betriebsschließung § 1 Nr. 1, Nr. 2
Leitsatz
Sehen AVB vor, dass Versicherungsschutz bei einer Betriebsschließung aufgrund der "folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den § 6 und 7 namentlich genannten" meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger besteht, und zählen weder die zitierte Fassung des IfSG noch jene zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages geltende noch die AVB das Sars-Cov-2-Virus auf, so besteht bei einer coronabedingten Betriebsschließung kein Versicherungsschutz.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Urt. v. 14.7.2021 – 20 U 79/21
Sachverhalt
Die Kl. begehrt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung. Sie betreibt in der A-Straße in C das Restaurant "B" sowie einen dazugehörigen Kioskbetrieb. Für diese Betriebsstätte unterhält sie bei der Beklagten eine Geschäftsversicherung unter Einschluss einer Ertragsausfallversicherung, im Rahmen derer mit einer Jahresversicherungssumme von 1.800.000 EUR auch die Gefahr der Betriebsschließung für eine Haftzeit von 30 Tagen versichert ist. Dem Versicherungsvertrag liegen AVB BS) zugrunde. Diese lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren"
1. Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG in der Fassung vom 20.7.2000) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstäte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; …
2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den § 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:
a) Krankheiten
b) Krankheitserreger
§ 4 Ausschlüsse
4. Krankheiten und Krankheitserreger
Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.
In den in § 1 Nr. 2 AVB Betriebsschließung unter Buchstaben a) und b) enthaltenen Aufzählungen ist weder die Krankheit COVID-19 noch der diese verursachende Krankheitserreger SARS-CoV-2 enthalten.
SARS-CoV-2 vom 22.3.2020. Während dieses sog. (ersten) Lockdowns war es der Klägerin in der Zeit vom 17.3.2020 bis zum 12.5.2020 auf der Grundlage zurecht eine Allgemeinverfügung, sodass der CoronaSchVO-NRW untersagt, ihren Betrieb für Publikum zu öffnen.
2 Aus den Gründen:
Das LG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
"… Der Kl. steht der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 173.545,42 EUR nicht zu. Auf der Grundlage der vereinbarten AVB BS besteht aus Anlass der durch die Allgemeinverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt C – und später durch § 9 der CoronaSchVO NRW vom 22.3.2020 – angeordneten Untersagung des Betriebs ihrer Gaststätte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kein Versicherungsschutz. Mangels Hauptforderung hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten."
1. Das LG hat zutreffend angenommen, dass es sich auf der Grundlage der hier vereinbarten Versicherungsbedingungen bei SARS-CoV-2 nicht um einen vom Versicherungsschutz erfassten Krankheitserreger handelt, sich das Leistungsversprechen des Versicherers vielmehr nur auf jene Krankheiten und Krankheitserreger erstreckt, die in § 1 Nr. 2 Buchstaben a) und b) AVB BS genannt sind. Dies ergibt die Auslegung der AVB BS.
a) AVB sind nach st. Rspr. so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (wird ausgeführt).
b) Nach diesen Maßstäben sind die AVB-BS dahin auszulegen, dass jedenfalls Krankheiten und Krankheitserreger, die weder im Infektionsschutzgesetz in der in Bezug genommenen Fassung vom 20.7.2000, noch in der Gesetzesfassung bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch in dem Katalog der AVB-BS aufgeführt sind, vom Versicherungsschutz nicht umfasst sind.
Der durchschnittliche – gewerbliche – Versicherungsnehmer kann bei aufmerksamer und verständiger Durchsicht der Versicherungsbedingungen nicht annehmen, es seien durch § 1 AVB-BS sämtliche Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst, die nach den §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtig sind, also auch solche, bei denen sich die Meldepflicht aus den Generalklauseln in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 IfSG ergibt oder die erst nach Vertragsschluss durch eine Gesetzesänderung in §§ 6 und 7 IfSG aufgenommen wurden.
aa) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird den Wortlaut des Leistungsversprechens des Versicherers in § 1 Nr. 1 AVB-BS zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nehmen. Er erkennt, dass Entschädigungsleistungen unter anderem für den Fall versprochen werden, dass die zuständige Behörde den vers...