ZPO § 130a Abs. 5 S. 2
Leitsatz
Zur Frage, wann ein Rechtsanwalt von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) an das Gericht ausgehen darf.
BGH, Beschl. v. 18.4.2023 – VI ZB 36/22
1 Aus den Gründen:
[1] I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Das Amtsgericht hat mit am 25.1.2022 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Am 14.3.2022 – zuvor hatte das Landgericht auf telefonische Nachfrage nach dem Aktenzeichen des Berufungsverfahrens mitgeteilt, dass eine Berufungsschrift bisher nicht eingegangen sei; der Prozessbevollmächtigte der Klägerin übersandte daraufhin die Berufungsschrift "nochmals" – ist beim Landgericht eine Berufungsschrift mit Datum 11.2.2022 eingegangen; darin heißt es "(…) lege ich namens der Klägerin und Berufungsklägerin gegen das am 25.1.2022 verkündete und am 2.2.2022 zugestellte Urteil des Amtsgerichts (…) Berufung ein." Mit Verfügung vom 6.4.2022 hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet, nämlich erst am 14.3.2022, eingegangen sei, die angefochtene Entscheidung der Klägerin jedoch bereits am 2.2.2022 zugestellt worden sei.
[2] Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat eine Dokumentation zu einer Nachricht aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) vorgelegt. Unter der Überschrift "Zusammenfassung Prüfprotokoll" finden sich dort in den Spalten "Übermittlungscode Meldungstext" und "Übermittlungsstatus" keine Eintragungen. Unter der Überschrift "Nachrichtenjournal" enthalten die Spalten "Ereignis" und "Zeitpunkt" die Angaben "MESSAGE ZEITPUNKT INITIIERUNG VERSAND" und "15.2.2022 12:18:00". Weiter enthält die Dokumentation unter der Überschrift "Prüfprotokoll vom 15.2.2022 12:17:04" den Abschnitt "Zusammenfassung und Struktur" mit der Anmerkung "Eingang auf dem Server 15.2.2022 12:12:03 (lokale Serverzeit)". Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, das vorgelegte Prüfprotokoll bestätige, dass die Berufungsschrift auf dem Server des Landgerichts am 15.2.2022 um 12:12:03 Uhr eingegangen sei. Eine Fehlermeldung werde nicht angezeigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung nicht erfolgreich gewesen sei, lägen nicht vor. Hilfsweise hat die Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt und zur Begründung ausgeführt, die zur Fristwahrung erforderlichen Handlungen seien fristgerecht vorgenommen worden. Ihr Prozessbevollmächtigter habe von einer erfolgreichen Übermittlung ausgehen dürfen.
[3] Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückgewiesen und die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen (LG Wuppertal, Beschluss v. 26.4.2022 – 8 S 17/22). Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie erstmals darauf hinweist, dass ihr Prozessbevollmächtigter per Fax am 18.3.2022 ein an ihn adressiertes Formular eines Empfangsbekenntnisses für das amtsgerichtliche Urteil mit dem von ihm eingetragenen Zustelldatum 14.2.2022 und seiner Unterschrift an das Amtsgericht zurückgesandt hat.
[4] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
[5] 1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Berufung gegen das am 2.2.2022 der Klägerin zugestellte Urteil des Amtsgerichts sei beim Landgericht verspätet, nämlich erst am 14.3.2022, eingegangen. Aus dem vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten beA-Protokoll lasse sich eine Übermittlung der Berufungsschrift am 15.2.2022, wie von ihm behauptet, nicht entnehmen. Für die notwendige anwaltliche Prüfung, ob ein Dokument erfolgreich an das Gericht übertragen worden sei, reiche es nicht aus, dass das beA die Signaturprüfung (hier "Prüfprotokoll vom 15.2.2022 12:17:04") als "erfolgreich" bestätige. Wesentlich sei der Übermittlungsstatus in der Spalte "Meldetext". Dieser sei hier leer. Wäre die Nachricht auf dem Server des Gerichts eingegangen, dann wäre eine Eingangsbestätigung an den übermittelnden Rechtsanwalt gesandt worden, § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO. Erst wenn der Rechtsanwalt diese Nachricht erhalte, dürfe er davon ausgehen, dass das Dokument bei Gericht eingegangen sei. Bei der im beA-Protokoll angegebenen Serverzeit "12:12:03" handele es sich um die Uhrzeit des beA-Servers und gerade nicht um jene des Justizservers, welche für den wirksamen Zugang maßgeblich sei. Wäre die beA-Nachricht erfolgreich versandt worden, ergäbe sich das auch aus dem sogenannten Nachrichtenjournal. Dann wäre dort nicht nur die Bemerkung "Initiierung Versand", sondern "Versand erfolgreich" vermerkt.
[6] Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zurückzuweisen, da ein fehlendes Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist nicht glaubhaft gemacht worden sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte zur Glaubhaftmachung seines fehlenden Verschuldens die Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu d...