1. OLG Stuttgart
Das OLG Stuttgart hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem ein Polizeibeamter eine Blutentnahme angeordnet hatte.
Im Leitsatz sagen die Richter:
Die Anordnung einer Blutentnahme durch einen Polizeibeamten im Wege der Eilkompetenz ist bei irriger Annahme drohenden Beweismittelverlustes durch raschen Abbau vom BTM im Körper nicht willkürlich und führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
a) Sachverhalt
Der Betr. führte ein Kfz unter dem Einfluss von THC, Amphetamin und Kokain gg. 18.15 Uhr. Der Polizeibeamte führte gg. 18.30 Uhr einen Vortest durch, der positiv auf die genannten Substanzen reagierte. Zusätzlich zitterte der Betroffene am ganzen Körper. Er räumte ein, dass er am Vortag einen Joint geraucht hätte. Daraufhin ordnete der Polizeibeamte die Blutentnahme an, die um 19.01 Uhr von einem Arzt durchgeführt wurde. Einen Bereitschaftsrichter oder Staatsanwalt hatte der Polizeibeamte nicht angerufen. Er ging davon aus, dass dies zu einer zu großen Zeitverzögerung geführt hätte (Abbau der im Blut vorhandenen Substanzen). Die Untersuchung ergab erhebliche Mengen der genannten Substanzen. Die richterliche Anordnung der Blutentnahme hätte im Idealfall 15 Minuten gedauert, somit ohne nennenswerte Zeitverzögerung. Somit lagen die Voraussetzungen der Gefahr im Verzug nicht vor. Die Rechtsbeschwerde des Betr. war trotzdem in der Sache unbegründet.
b) Begründung
Die Anordnung der Blutentnahme zu Beweiszwecken darf gem. §§ 46 OWiG und 81 a StPO nur durch den Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch durch die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen erfolgen. Der Richtervorbehalt besteht wegen des Eingriffes in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG im Hinblick auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit. Bei Vorliegen der Verdachtsmomente hätte der Bereitschaftsrichter die Blutentnahme anordnen müssen. Allerdings hätte der Polizeibeamte die Blutentnahme nicht anordnen dürfen, da eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung nach den Feststellungen nicht vorlag. Da zwischen Drogenvortest und Blutentnahme ein Zeitraum von einer halben Stunde lag und eine richterliche Anordnung in 15 Minuten hätte erreicht werden können, lag keine Gefahr im Verzuge vor. Nur wenn ein Richter nicht erreicht worden wäre (nach mehrmaligen Versuchen) hätte der Polizeibeamte die Blutentnahme anordnen dürfen. Es bestand somit ein Beweiserhebungsverbot. Dieses führt jedoch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
Die strafgerichtliche Rechtsprechung, der die Auslegung des Begriffs der Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung in erster Linie obliegt (BVerfG 12.2.2007, 2 BvR 273/06) hat bisher nur in Sonderfällen schwerwiegende Rechtsverletzungen, die auf grober Verkennung der Rechtslage beruhten, ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Sie hat dabei auf die Schwere des Eingriffs in Rechte des Betr. einerseits sowie auf das staatliche Ahndungsinteresse und das gefährdete Rechtsgut andererseits abgestellt, die gegeneinander abzuwägen seien. Diese Abwägung ergibt hier, auch wenn es sich nur um eine Owi handelte, dem relativ geringfügigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das schwerwiegende staatliche Interesse an der Ahndung der Ordnungswidrigkeit gem. § 24a StVG, weil dieser Rechtsverstoß die Verkehrssicherheit, insbesondere auch Leib und Leben Dritter, erheblich gefährden konnte. Dies ist höher einzuschätzen als der geringfügige Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Auch wenn der Beamte seine Befürchtung in Bezug auf den Beweismittelverlust nicht aktenkundig machte, führte dies hier nicht zum Beweisverwertungsverbot, auch wenn dies der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprach. Ein Beweisverwertungsverbot wäre dann anzunehmen, wenn der Polizeibeamte bewusst fehlerhaft bzw. objektiv willkürlich die Durchführung der Maßnahme betrieben hätte. Der Polizeibeamte war jedoch der Auffassung, dass insbesondere Kokain sehr schnell im Körper abgebaut worden wäre. Sein Handeln war nicht darauf gerichtet, eine Beweiserhebung objektiv entgegen dem Gesetz oder subjektiv unter Ausschaltung des Bereitschaftsrichters anzuordnen. Ein solcher irrtümlicher Verstoß gegen die gesetzliche Zuständigkeit führt – jedenfalls, wenn ein hypothetischer Ersatzeingriff rechtmäßig wäre – nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Entscheidung des BVerfG ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.
Das OLG Hamburg führt zu der Problematik aus, dass für den Fall, für den i.S.d. jüngeren Rechtssprechung des BVerfG unzulässigerweise eine Blutprobenentnahme durch eine Ermittlungsperson der StA statt durch den zuständigen Richter angeordnet wurde, die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes für den Nachweis der BAK im wegen Trunkenheit im Verkehr geführten Strafverfahren regelmäßig fern liegt. Jedenfalls findet die sog. Widerspruchslösung auch bei einer trotz Fehlens von Gefahr im Verzuge durch eine Ermittlungsperson der StA angeordneten Blutprobenentnahme Anwe...