VVG § 61 a.F.
Grob fahrlässig handelt eine Versicherungsnehmerin, die ihre Handtasche mit dem darin befindlichen Fahrzeugschlüssel in einer Diskothek während des Tanzens abstellt, auch wenn sie Freundinnen bittet, auf die Handtasche aufzupassen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 31.3.2010 – 5 U 102/09
Aus den Gründen:
“… 2. Die Klägerin hat gem. § 61 VVG a.F. grob fahrlässig gehandelt, indem sie nach eigenem Vortrag ihre Handtasche in der Diskothek H neben ca. 10 anderen Handtaschen in der Nähe der Theke auf einer Treppe abgestellt hat, die sich vor einer funktionslosen, verschlossenen Tür befand und ständig zum Abstellen von Taschen genutzt wird, und dann zur Tanzfläche ging …
Regelmäßig stellt das Abstellen einer Damenhandtasche oder ähnlicher Behältnisse, die üblicherweise Wertgegenstände wie Geldbeutel, Kreditkarten sowie sicherheitsrelevante Gegenstände wie Haustür- und Autoschlüssel, Ausweispapiere, Führer- und Fahrzeugscheine enthalten, in einem jedermann zugänglichen Bereich ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen, Überwachungs- und Zugriffsmöglichkeiten ein grob fahrlässiges Verhalten dar. Dies gilt insbesondere für die fehlende Sicherung von Kfz-Schlüsseln gegen den Zugriff Dritter (vgl. Senat, Urt. v. 27.11.1996 – 5 U 444/96 n.v.; OLG Hamburg VersR 1995, 1347–1348; OLG München VersR 1994, 1060 … ).
Da die Klägerin ihre den Autoschlüssel des später entwendeten Pkw enthaltende Handtasche auf die Treppe in der Diskothek gestellt und sich dann von der Handtasche entfernt hat, hat sie die Tasche dem beliebigen Zugriff Fremder preisgegeben. Da sich auf der Treppe sogar eine auffällige Ansammlung von Handtaschen befand, musste jeder potenzielle Dieb darauf aufmerksam werden, dass sich in einer der Taschen Wertgegenstände oder Schlüssel befinden könnten, mit denen man etwa fremde Pkw ohne große Mühe entwenden konnte. Dadurch hat die Klägerin die in der Tasche befindlichen Autoschlüssel ohne besondere Sicherung dem tatsächlichen Zugriff Dritter ausgesetzt, was als grob fahrlässig einzustufen ist.
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin behauptet hat, sie habe die beiden Zeuginnen G und P gebeten, sich neben ihre Handtasche zu stellen und auf diese aufzupassen, was diese auch getan hätten.
Ob diese Behauptung der Klägerin tatsächlich zutrifft, kann dahinstehen. Der Senat braucht eventuellen Zweifeln an den Angaben der Klägerin und den Aussagen der beiden Zeuginnen nicht nachzugehen, insbesondere die beiden Zeuginnen nicht erneut zu vernehmen. Denn auch wenn man unterstellt, dass die Angaben hinsichtlich der Bewachung der Tasche zutreffen, ist bezogen auf die konkrete Situation gleichwohl von grober Fahrlässigkeit auszugehen.
Dabei kann es rechtlich auch dahinstehen, ob eine optische Überwachung einer abgestellten Tasche mit brisantem Inhalt, namentlich mit einem Autoschlüssel und Autopapieren, im Allgemeinen ausreichend ist …, um eine hinreichende Sicherung zu bewirken oder doch jedenfalls einen besonders groben Sorgfaltsverstoß zu verneinen. In der konkreten Situation nämlich bestanden tatsächliche Besonderheiten, die eine rein optische Überwachung durch zwei hiermit beauftragte Freundinnen als nicht ausreichend erscheinen lassen mussten, einen besonders schweren Sorgfaltsverstoß zu verneinen.
Zum einen befand sich der Abstellplatz der Handtasche zur Zeit hoher nächtlicher Frequentation innerhalb einer Diskothek. In dieser bewegten sich zahlreiche Menschen und suchten immer wieder die Treppe auf, um dort Handtaschen abzustellen. Es herrschte schon von daher eine völlig unübersichtliche Situation. Hinzu kam, was auf dem zur Akte gereichten Lichtbild dokumentiert ist, dass auf die Treppe nicht nur frontal von vorn, sondern auch seitlich durch ein Geländer zugegriffen werden konnte, sodass sich jederzeit eventuelle Täter unbemerkt nähern konnten, um auf die dort befindlichen Handtaschen zuzugreifen. Die Klägerin hat des Weiteren zwar behauptet, die Zeuginnen G und P hätten während der gesamten Zeit des Aufenthalts der Klägerin auf der Tanzfläche die Tasche beobachtet. Die Zeuginnen selbst haben jedoch erklärt, dass sie zwar die gesamte Zeit dort gestanden und geredet hätten und dass auch Bekannte dort gewesen seien. Ab und zu’ hätten sie auch auf die Handtasche geschaut. (wird ausgeführt)
Demnach haben die beiden Zeuginnen die Tasche gerade nicht die gesamte Zeit ununterbrochen beobachtet, sondern sich mit anderen Personen unterhalten und nur ab und an auf die Tasche geschaut. Dass die Klägerin von der Tanzfläche aus das Gegenteil beobachtet haben will, ist nicht glaubhaft, da es mit dem Umstand, dass sie tanzend in Bewegung war, kaum vereinbar ist, dass die Klägerin die beiden Zeuginnen ununterbrochen beobachtet haben will. Damit aber war die Absicherung durch bloße Beobachtung durch die beiden Zeuginnen in der konkreten Situation absolut ungenügend, was für die Klägerin vorhersehbar war. Denn die beiden Zeuginnen waren ja ebenso wie die Klägerin auch zum eigenen Amüsement in der Diskothek, was voraussetzte, dass ...