VVG § 61 § 67 a.F. § 81 § 86 n.F.
Leitsatz
Zur Frage der groben Fahrlässigkeit bei der Verursachung eines Brandschadens durch Erhitzung von Fett auf einem Küchenherd.
BGH, Urt. v. 10.5.2011 – VI ZR 196/10
Sachverhalt
Der Kl., Feuerversicherer des Hauseigentümers, nimmt den beklagten Wohnungsmieter aus gem. § 67 VVG a.F. übergegangenem Recht wegen eines von diesem verursachten Brandschadens in Regress. Der Bekl. bewohnte eine Dachgeschosswohnung, in die er am 3.2.2007 gegen 4:00 Uhr zurückkehrte. Er wollte sich auf dem Küchenherd in einem Kochtopf mit Frittiereinsatz Kartoffelröllchen zubereiten und erhitzte dazu Fett. Als dieses geschmolzen und warm war, gab er die tiefgefrorenen Kartoffelröllchen hinein. Sodann verließ er die Küche und begab sich ins Wohnzimmer. Während er dort war, erhitzte sich das im Topf befindliche Fett so stark, dass es sich entzündete. Der Brand ergriff die Küchenzeile und den Deckenbereich. Von dort breitete sich das Feuer auf den Dachstuhl aus und erfasste schließlich das gesamte Haus. Der Bekl. wurde rechtskräftig wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Kl. hält die Brandverursachung für grob fahrlässig. Er behauptet, er habe den Brandschaden mit 145.689,77 EUR reguliert und darüber hinaus Sachverständigenkosten von 2.076,79 EUR und 48,12 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 2.475,80 EUR erstattet. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg. Mit der vom BG zugelassenen Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.
2 Aus den Gründen:
[6] “… 1. Zutreffend nimmt das BG an, dass ein Regressanspruch des Kl. nur unter der Voraussetzung besteht, dass der Bekl. den Brandschaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Diese Auffassung entspricht der gefestigten Rspr. des BGH, wonach in der Gebäudefeuerversicherung eine ergänzende Vertragsauslegung einen konkludenten Regressverzicht des VR für die Fälle ergibt, in denen der Wohnungsmieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat (BGH BGHZ 145, 393, 395 ff.; BGHZ 169, 86 Rn 8 ff.; VersR 2006, 1530 Rn 14 ff. und VersR 2006, 1533 Rn 10 f.). Da im Streitfall Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Verhalten nicht gegeben sind und der Bekl. einfache Fahrlässigkeit nicht in Abrede stellt, kommt es für seine Haftung allein darauf an, ob ihm grobe oder lediglich einfache Fahrlässigkeit anzulasten ist. Mit Recht nimmt das BG auch an, dass der Kl. als VR die Voraussetzungen für die Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens des Bekl. darzulegen und zu beweisen hat …
[7] 2. Das BG ist der Auffassung, das Verhalten des Bekl. bei der Zubereitung der Kartoffelröllchen sei in objektiver Hinsicht grob fahrlässig gewesen. Diese tatrichterliche Beurteilung wird von der Revision als ihr günstig hingenommen.
[8] 3. Die Revision wendet sich allein dagegen, dass das BG ein grob fahrlässiges Verhalten des Bekl. in subjektiver Hinsicht für nicht bewiesen erachtet hat. Damit hat sie keinen Erfolg.
[9] a) Die tatrichterliche Entscheidung, ob dem Schädiger der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt lediglich, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat …
[10] b) Das BG hat den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht verkannt. Es hat seinem Urteil die vom BGH aufgestellten Grundsätze zugrunde gelegt, wonach grobe Fahrlässigkeit einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraussetzt. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet … Hiernach ist es in aller Regel erforderlich, nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven (personalen) Seite konkrete Feststellungen zu treffen …
[11] c) Die tatrichterliche Beurteilung des BG, brandursächlich sei ein Augenblicksversagen, das in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse des Bekl. und der konkreten Umstände der Brandentstehung den Vorwurf eines schlechthin unentschuldbaren Fehlverhaltens nicht rechtfertige, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
[12] aa) Entgegen der Auffassung der Revision hat das BG den Begriff des Augenblicksversagens nicht verkannt. Der Ausdruck “Augenblicksversagen’ beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ (BGH ...