Einen in der Praxis bedeutsamen Fall der Wissens(erklärungs)vertreter-Position stellt der als Makler tätige Versicherungsvermittler dar. Die Prinzipien zur Wissenszurechnung nach der "Auge-und-Ohr"-Rechtsprechung sind grundsätzlich auf den Versicherungsmakler, den der VN mit der Weiterleitung seines Antrags an den VR betraut hat, nicht anzuwenden, da dieser Sachwalter der Interessen seines Kunden ist. § 59 VVG enthält gesetzliche Definitionen der Berufe Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler und Versicherungsberater. Makler ist nach § 59 Abs. 3 VVG, wer – auch nur dem Anschein nach – gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem VR oder Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, entfällt die Zurechnung.
In der Praxis ist nicht immer eindeutig, in welcher Position der Vermittler tatsächlich tätig wurde. Die eigene Bezeichnung als Makler spricht natürlich dafür, dass der Handelnde auch als solcher tätig wird. In Ausnahmefällen kann aber auch das Wissen eines Maklers dem VR zuzurechnen sein. Eine solche Ausnahme kommt in Betracht, wenn Tatsachen vorliegen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit eine Wissenszurechnung beim VR rechtfertigen können. Der Makler muss dafür "im Lager" des VR stehen bzw. in dessen Vertriebsorganisation eingegliedert sein. Das bloße Verwenden versicherereigener Formulare besagt dafür noch nichts, da dies in der Praxis bei Versicherungsvertretern und Maklern üblich ist; Voraussetzung einer Zurechnung von Wissen ist vielmehr, dass er vom VR zur Entgegennahme von Erklärungen bevollmächtigt, zumindest aber damit betraut ist. Dass der Makler im Versicherungsschein mit der einleitenden Bemerkung: "Ihr Betreuer …" benannt ist, ändert nichts an seiner Stellung als Makler und macht ihn nicht zum Versicherungsvertreter oder einem Vertreter ähnlich.
Hingegen liegt eine Eingliederung des Maklers in die Vertriebsorganisation des VR bspw. bei folgenden (kumulativen) Umständen vor:
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Verwendung von Antragsformularen und Unterlagen des VR. |
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Verwendung von Formulierungen, auch in Beiblättern, wie "Wichtige Erklärung des Antragstellers und der zu versichernden Person(en) sowie Hinweise" unter der Überschrift "Wichtig für Antragsteller und Vermittler" und der Hinweis "Bitte beantworten Sie die Fragen im Antrag vollständig und richtig. Sonst ist der Versicherungsschutz in Gefahr. Im Interesse aller Beteiligten wird dringend die Einhaltung der Schriftform empfohlen", woraus geschlossen werden kann, dass bei Auftreten eines Vermittlers auch mündliche Angaben möglich sind, deren Dokumentation allerdings dringend empfohlen wird. |
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Im "Merkblatt zur Datenverarbeitung" befindet sich unter "6. Betreuung durch Versicherungsvermittler" folgender Hinweis: "In Ihren Versicherungsangelegenheiten … werden Sie durch einen unserer Vermittler betreut, …" und "der für Ihre Betreuung zuständige Vermittler, soweit er kein Makler ist, wird Ihnen mitgeteilt. Endet seine Tätigkeit für unser Unternehmen (z.B. durch Kündigung des Vermittlervertrags oder bei Pensionierung), regelt das Unternehmen ihre Betreuung neu … " |
Eine Zwitterposition können sog. Mehrfachagenten wahrnehmen. Diese sind aufgrund vertraglicher Vereinbarungen (nicht ausschließlich) für mehrere VR tätig, wobei entsprechende Ausnahmen vom Wettbewerbsverbot vereinbart sind. Im Gegensatz zu Versicherungsmaklern sind Mehrfachagenten verpflichtet, für die mit ihnen vertraglich verbundenen VR tätig zu werden, und stehen, sofern sie im Einzelfall für einen VR – wenn auch nicht ausschließlich – tätig werden, haftungsrechtlich einem Ausschließlichkeitsvertreter gleich. In der Praxis wird die genaue Funktion gegenüber dem Antragsteller häufig nicht offen gelegt.
Generell wird man die Tätigkeit in der "Auswahlphase" (also bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Mehrfachagent mit der Vertragsanbahnung zu einem konkreten VR beginnt) als die eines Versicherungsmaklers, die Tätigkeit in der Zeit danach (bei der konkreten Vertragsanbahnung) als die eines Versicherungsagenten des betreffenden VR einordnen können. Beim Ausfüllen eines Antragsformulars wird der Mehrfachagent deshalb in der Regel als Versicherungsvertreter zu bewerten sein. Hat der VR den Mehrfachagenten damit betraut, Versicherungsverträge zu vermitteln, kommt es auf eine Bezeichnung wie "Handelsmakler" nicht an. Indizien dafür sind, dass mit dem VR eine Courtagevereinbarung besteht, eine Vermittlernummer vergeben wurde, unter der künftig Neugeschäfte eingereicht werden sollten, sowie ein eigenes Vermittlerkonto.