GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 321a
Leitsatz
1. Über die Anhörungsrüge entscheidet der Senat in der nach seinen Mitwirkungsgrundsätzen gem. § 21 GVG berufenen regulären Spruchgruppe und nicht in derselben Besetzung wie in der angegriffenen Entscheidung, bei der ein Mitglied des Senats an der Mitwirkung verhindert war.
2. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt ebenso wenig einen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält, wie darauf, dass es verpflichtet ist, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2012 – I-24 U 166/11
Sachverhalt
In einem Beschl. v. 16.4.2012 (vgl. hierzu bereits zfs 2012, 527) hatte das OLG Düsseldorf die Berufung gegen ein stattgebendes Urt. des LG zurückgewiesen. An diesem Beschl. hatte wegen Verhinderung eines Mitglieds des Senats vertretungsweise ein Richter eines anderen Senats mitgewirkt. Der Senat verwarf die zur Begründung der Anhörungsrüge aufgeführten Gründe in der Besetzung der regulären Spruchgruppe.
2 Aus den Gründen:
“Die zulässig erhobene Anhörungsrüge der Bekl. ist gem. § 321a ZPO unbegründet.
1. Über die Anhörungsrüge entscheidet der Senat in der nach seinen Mitwirkungsgrundsätzen gem. § 21g GVG berufenen regulären Spruchgruppe und nicht in derselben Besetzung wie in der angegriffenen Entscheidung, bei der ein Mitglied des Senats an der Mitwirkung verhindert war (vgl. hierzu BGH, NJW-RR 2006, 63; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 321a Rn 15a; Senat, Beschl. v. 19.8.2010 – I-24 U 197/09). § 321a ZPO enthält keine – etwa dem § 320 Abs. 4 S. 2 ZPO vergleichbare – Bestimmung darüber, wer an der Entscheidung über die Anhörungsrüge mitzuwirken hat. Der Senat hat den Fall der Anhörungsrüge auch nicht in seinem Geschäftsverteilungsplan speziell geregelt. Mangels einer solchen Regelung hat der Senat in seiner regulär berufenen Zusammensetzung über die Anhörungsrüge zu befinden. Insoweit gilt für die Mitwirkung an der Entscheidung über eine Anhörungsrüge, die im Erfolgsfall zu einer Fortsetzung des Verfahrens führt, nichts anderes als etwa für einen Berichtigungsbeschluss nach § 319 ZPO, für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO sowie für eine Entscheidung über eine Gegenvorstellung oder die Abhilfe einer Beschwerde nach § 572 Abs. 1 ZPO (BGH, a.a.O.). Da die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO gegen alle instanzbeendenden Entscheidungen, auch von Einzelrichtern, in Betracht kommt, gegen die ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist, würde ein an § 320 Abs. 4 S. 2 ZPO orientiertes Verständnis über die Mitwirkung des bisher entscheidenden Richters die Anwendung dieser Rüge in einem ihrem Zweck nach nicht gerechtfertigten Umfang einschränken (BGH, a.a.O.). Entscheidungen über Gehörsverletzungen sind damit von dem Gericht stets in der dann zuständigen Besetzung zu treffen, weil sie allein an Hand der Akten ergehen können (Senat, a.a.O.).
2. Nach § 321a ZPO ist auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Zwar ist die erstgenannte Voraussetzung hier erfüllt, weil der Senatsbeschl. v. 16.4.2012 unanfechtbar ist. Die Bekl. ist aber nicht entscheidungserheblich in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden. Die von ihr geltend gemachten Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
a) Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet insb. i.V.m. den Grundsätzen der ZPO die Berücksichtigung erheblichen Vorbringens und der entsprechenden Beweisanträge. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass gerichtliche Entscheidungen frei von Verfahrensfehlern ergehen, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerfGE 69, 141, 143; BVerfG, Beschl. v. 24.10.2007 – 1 BvR 1086/07; BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – VI ZR 162/09; BGH, Beschl. v. 15.6.2010 – XI ZR 318/09). Ein Verstoß gegen diese Grundrechtsgewährleistung liegt dann vor, wenn die Nichtberücksichtigung eines Beweismittels im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfGE 69, 141, 144). Allerdings gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Insb. darf das Fachgericht nach diesen Maßstäben grds. Beweisangebote, die es nicht für erheblich ansieht, unberücksichtigt lassen (BVerfG a.a.O.; BGH a.a.O.). Art 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält (BVerfGE 80, 269, 286). Ebenso wenig folgt aus dem Prozessgrundrecht eine Pflicht ...