Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidung unspektakulär, aber wenn man ein wenig tiefer in die Problematik (Irrtum bei der Verwaltungsbehörde) einsteigt, offenbaren sich doch einige bemerkenswerte Details.
Es gibt dem Grunde nach zwei gegenläufige Ansätze in der OLG-Rspr. Das OLG Bamberg (Beschl. v. 18.4.2007 – 2 Ss OWi 1073/06, NStZ 2008, 532) propagiert – in Kenntnis der gegenläufigen Vorgängerrechtsprechung des OLG Hamm –, dass es für die Verjährungsunterbrechung nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG aufgrund vorläufiger Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit weder auf die tatsächliche Abwesenheit des Betr. ankommt, noch muss ein diesbezüglicher Irrtum der Verfolgungsbehörde unverschuldet sein. Eine fehlerhafte Unterbrechungshandlung unterbreche die Verjährung nur ganz ausnahmsweise dann nicht, wenn sie wegen eines schwerwiegenden Fehlers unwirksam sei – und vielleicht, wenn eine Scheinmaßnahme getroffen worden ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle ansonsten gerade keine Prüfung stattfinden, ob die Unterbrechungshandlung (objektiv) tatsächlich geboten gewesen sei.
Das OLG Hamm (Beschl. v. 2.8.2007 – 2 Ss OWi 372/07, NZV 2007, 588) wiederum stellt – in Kenntnis der Rspr. des OLG Bamberg – fest, dass die Frage, ob ein Irrtum der Verfolgungsbehörde unverschuldet sein muss oder nicht, offen bleiben könne, wenn der Irrtum der Bußgeldbehörde über den Aufenthaltsort des Betr. auf falschen Angaben einer anderen Behörde (hier: ermittelnder und den Namen falsch aufschreibender Polizeibeamter) beruht. Ansonsten dürfe der Irrtum nicht auf dem Verschulden der Behörde beruhen. Letztere Ansicht bejahte schon vor beiden Entscheidungen das OLG Brandenburg (Beschl. v. 29.3.2005 – 2 Ss (OWi) 51 Z/05, NZV 2006, 100).
Zwei der derzeit maßgebenden verkehrsrechtlichen Kommentatoren sprechen sich für das OLG Bamberg aus. Gürtler bezeichnet (Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 33 Rn 27) das OLG Hamm und das OLG Brandenburg als "Mindermeinung", hingegen das OLG Bamberg als "herrschende Meinung", wobei zum OLG Bamberg zwei Fundstellen so angegeben sind, dass man meinen könnte, sie beträfen auch zwei Entscheidungen – dem ist nicht so. König, auf den Gürtler auch verweist, wendet sich in einer Urteilsbesprechung (NZV 2008, 105) explizit gegen die Entscheidung des OLG Hamm (wie auch schon früher: OLG Hamm, NZV 2005, 491, mit Anm. König) und führt beachtliche Bedenken auf (u.a. kein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand durch reinen Zeitablauf).
Andererseits darf – selbst bei der geballten bayerischen Meinungsmacht in dieser Sache – nicht unterschätzt werden, dass im Bußgeldverfahren die Frage der Verjährung meist erst in der ex-post-Betrachtung durch das Gericht aufgedeckt wird und ein angeblicher Vertrauenstatbestand des wartenden Betr. nicht wirklich der Grund für die Aufwertung der Verschuldensfrage sein muss. Vielmehr beinhaltet die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit auch, dass bei selbst verschuldeten Fehlleistungen der Bußgeldbehörde (und dazu gehören auch die ihr zuarbeitenden Stellen, insoweit hat König völlig Recht) die Verhinderung der Verjährung nicht unnötig ausgedehnt werden sollte. Denn die Bußgeldbehörde ist angehalten, ihre internen Abläufe stets zu kontrollieren und zu verbessern. Das kann nur geschehen, wenn Fehler auch zu Konsequenzen führen. Bei aller Sympathie für die systematischen Einwände von König, könnte – gerade unter Berücksichtigung des für das Verfahren maßgebenden Opportunitätsgrundsatzes – die Lösung des OLG Hamm und des OLG Brandenburg mehr Anhänger als von der Kommentierung erhofft finden – insbesondere unter dem Aspekt des fairen Verfahrens, s.u.
Das AG Lüdinghausen hat sich der oben aufgeführten Diskussion aber geschickt entzogen und zwar unter Berufung auf das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 6.3.2000 – 2 Ss 163/98, DAR 2000, 371). Das OLG Bamberg hat in seiner Entscheidung zwar diesen Beschluss aus Karlsruhe in eine fortlaufende Reihe mit seinem eigenen Ergebnis gesetzt. Dem ist aber bei genauerer Betrachtung nicht so, denn das OLG Karlsruhe offeriert eine dritte Variante: Es gab gar keinen Irrtum und damit ist auch die Verschuldensfrage obsolet. Das OLG Karlsruhe stellt fest, dass für eine verjährungsunterbrechende Wirkung der vorläufigen Einstellung nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG kein Raum ist, wenn der Wohnsitz des Betr. nach Aktenlage nicht zweifelhaft ist. Wenn die Verwaltungsbehörde ihren Bescheid nicht unter der bekannten Adresse zugestellt hat, sondern unter einer anderen Anschrift, so verhielt sie sich in Wirklichkeit untätig und ohne subjektiv die Merkmale der Unterbrechungshandlung in ihrer Zielrichtung – der wirklichen Ermittlung des Aufenthalts i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG – zu erstreben (vgl. Gürtler in: Göhler, § 33 Rn 3). Bei dieser Sachlage ist aber kein Raum mehr für die Annahme einer verjährungsunterbrechenden Wirkung der Einstellung bzw. Anordnung der Aufenthaltsermittlung, denn die Bestimmungen über die Unterbrechung sind als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und loyal zu handhaben (vgl. BG...