" … Im Ergebnis zu Recht hat das LG die Klage mangels Nachweises eines für die Haftung des Bekl. nach § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 229 StGB notwendigen Verschuldens abgewiesen."
Von der Berufung nicht angegriffen wird die Annahme des LG, dass eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Bekl. aus § 7 StVO im Hinblick auf § 8 Nr. 1 StVO ausscheidet. Daher trägt auch nicht die Auffassung der Berufung, zu Lasten des Bekl. müsse die deutlich höhere Betriebsgefahr seines Krankenfahrstuhls Berücksichtigung finden. Die Anrechnung einer Betriebsgefahr liefe der gesetzlichen Regelung in § 8 Nr. 1 StVG zuwider, die nach dem Willen des Gesetzgebers eine Gefährdungshaftung des Halters nach § 7 StVG bei solchen Fahrzeugen ausschließt, die – wie hier – nicht mehr als 20 km/h fahren können, und damit gerade keine Mithaftung in Höhe der Betriebsgefahr vorsieht.
Rechtsfehlerfrei hat das LG eine danach verbleibende Haftung des Bekl. aus allgemeinem Deliktsrecht gem. § 823 Abs. 1, 2 BGB. i.V.m. § 229 StGB verneint.
Ohne Erfolg rügt die Berufung, dass das LG nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festzustellen vermochte, dass der Bekl. beim Befahren der Fußgängerzone … die gebotenen Sorgfaltspflichten schuldhaft nicht eingehalten und hierdurch den Sturz des Zeugen verursacht hat. Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass die Einlassung des Bekl., der Zeuge habe trotz mehrfacher Warnrufe einen Sprung vor den Rollstuhl des Bekl. gemacht, auch angesichts des Laufziels des Zeugen Zweifel hervorruft. Eine in der Gesamtbetrachtung fehlerhafte Tatsachenfeststellung und -würdigung durch das erstinstanzliche Gericht ist jedoch nicht ersichtlich.
Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass dem klagenden Land, auch wenn es Ansprüche nur aus übergegangenem Recht verfolgt – wie dem Verletzten selbst – die volle Darlegungs- und Beweislast für ein Verschulden des Schädigers obliegt, es also den strengen Anforderungen des Vollbeweises gem. § 286 ZPO unterliegt. Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht für wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert dabei keine absolute oder unumstößliche Gewissheit, aber einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH, Urt. v. 8.7.2008 – VI ZR 274/07, juris). Mit einer solchen Gewissheit kann eine schuldhafte Verursachung des streitgegenständlichen Unfallgeschehens durch den Bekl. auch unter Berücksichtigung sämtlicher Indizien nicht festgestellt werden.
Zunächst hat sich eine Gewissheit dafür, dass der Bekl. mit seinem Krankenfahrstuhl seitlich zu dicht an den Zeugen herangefahren ist oder dessen Laufrichtung gekreuzt und ihn dadurch behindert hat, nach den Aussagen der vor dem LG vernommenen Zeugen nicht ergeben. Zwar geht aus den Bekundungen des Zeugen hervor, dass der Bekl. den Zeugen “umgefahren‘ habe. Da der Zeuge indes einräumte, er sei erst auf das Geschehen aufmerksam geworden, als der Geschädigte vor ihm umfiel, hat er naturgemäß zu dem vorausgegangenen Unfallhergang, insb. die eingehaltene Fahrtrichtung des Bekl., auch keine eigenen Wahrnehmungen getroffen.
Soweit das LG nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass eine überhöhte oder unangepasste Geschwindigkeit auf Seiten des Bekl. zu dem Unfallgeschehen geführt hat, lässt sich hierin kein Fehler erkennen.
Zutreffend hat das LG darauf abgestellt, dass die von dem klagenden Land benannten Zeugen keine unmittelbaren Angaben zu dem Hergang des Unfalls machen konnten. Die Aussagen beider Zeugen zu dem Fahrverhalten des Bekl. vor dem Sturz des Zeugen, insb. zu der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit, blieben unergiebig. Aus dem Bekunden der Zeugen geht hervor, dass keiner von ihnen den Bekl. vor dem Unfallereignis selbst bemerkt hatte.
Dabei war der Aussage des Zeugen zu dem Verhalten des Bekl. nach der Kollision, insb. der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit kein durchschlagender Beweiswert beizumessen. Ein verlässliches Indiz für die Fahrgeschwindigkeit des Bekl. zum Zeitpunkt der Kollision mit dem Zeugen lässt sich aus den Angaben des Zeugen nicht herleiten. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bekl. in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen hat, mit seinem Rollstuhl bauartbedingt nicht schneller als 6 km/h fahren zu können. Insoweit erfolgt das Bestreiten des klagenden Landes in seiner Replik in der Berufungsinstanz verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO). Damit hatte der Bekl. aber selbst bei Ausschöpfung der ihm technisch möglichen Höchstgeschwindigkeit noch die ihm nach § 24 Abs. 2 StVO am Unfallort vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit eingehalten, welche als Fußgängerdurchschnittstempo bei 4 bis 7 km/h liegt [so OLG Düsseldorf NZV 1993, 158, Rn 13; OLG Karlsruhe NZV 2004, 321, Rn 11; vgl. auch OLG Brandenburg DAR 2005, § 70, Rn 8: bis zu 7 km/h]....