" … 1. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen. Auch Verfahrensrügen sind unter dem hier geltend gemachten Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs möglicher Gegenstand eines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, Rn 3 zu § 80 OWiG). Dem steht nicht entgegen, dass sich ein anderes OLG, nämlich das OLG Dresden, mit der identischen Rechtsfrage kürzlich befasst hat (Beschl. v. 7.3.2014 – 23 Ss 56/14 Z, [nachfolgend abgedruckt]; vgl. Göhler, a.a.O.)."
2. Jedoch ist die Rechtsbeschwerde unbegründet, da das AG mit Recht den Einspruch des Betr. gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen hat.
a) Zum einen hat das AG rechtsfehlerfrei den Antrag des Betr. auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung abgelehnt. Sein Erscheinen war zur Aufklärung der Frage, ob er als Fahrer für die Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortlich war, unabdingbar, da er die Fahrereigenschaft bestritten und einen Zeugen präsentiert hatte, den er als Fahrer bezeichnete.
b) Zum anderen hat das AG rechtsfehlerfrei die Entschuldigung des Betr. als ungenügend angesehen. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass die Pflicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen, der Regelung beruflicher Angelegenheiten grds. vorgeht (Göhler, a.a.O., Rn 29 zu § 74 OWiG mit Hinweisen auf die übereinstimmende obergerichtliche Rspr. und die Kommentarliteratur). Das Fernbleiben des Betr. wäre nur dann entschuldigt gewesen, wenn er aus überwiegenden beruflichen Gründen, die konkret darzulegen der Betr. gehalten war, am Erscheinen gehindert war. Die Vorlage von Flugauftragsbestätigungen und der Hinweis, eine Geschäftsreise nach Rumänien finde statt, reichen dafür nicht aus, zumal die Ladung zum Gerichtstermin dem Betr. bereits fast drei Monate vor dem Gerichtstermin zugestellt worden war.
c) Der Senat kann dem Betr. in seiner Auffassung, das AG hätte den Einspruch trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 OWiG wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 3 lit. c. MRK nicht verwerfen dürfen, nicht beipflichten.
In Rspr. und Lehre ist unumstritten, dass weder die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) noch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) deutsche Gerichte unmittelbar binden (OLG Celle, 32 Ss 29/13, Beschl. v. 19.3.2013, zitiert nach juris; OLG Dresden, a.a.O. u.v.a. m.). Die MRK und die den Entscheidungen des EGMR zugrunde liegenden tragenden Rechtsgedanken dienen den nationalen Gerichten als Auslegungshilfe geltenden Rechts; geltendes Recht wird durch sie nicht außer Kraft gesetzt (s. auch OLG Dresden und OLG Celle, a.a.O.; BVerfGE 111, 307). Zeigt das nationale Recht gemessen an der MRK strukturelle Mängel, so gebietet die Verpflichtung der innerstaatlichen Beachtung der Konvention (ungeachtet der beschränkten Bindungswirkung nach Art. 46 MRK) eine konventionsgerechte Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts (BGH, Beschl. v. 9.11.2010 – 5 StR 394/10, zit. nach juris). Der deutsche Gesetzgeber ist also verpflichtet, bei der Regelung der Rechtsfolgen des Ausbleibens des Betr. Konventionsrecht zu beachten.
Aufgabe der Gerichte ist die konventionsfreundliche Auslegung geltenden Rechts, sofern eine Auslegung überhaupt möglich ist. Der Wortlaut des § 74 Abs. 2 OWiG betreffend die Rechtsfolgen nicht genügend entschuldigenden Fernbleibens ist allerdings eindeutig und nicht auslegungsfähig (s. auch OLG Dresden, a.a.O.), so dass die Einspruchsverwerfung zwingend ist.
Das entsprechend Art. 97 Abs. 2 GG an Recht und Gesetz gebundene AG war also zur Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG verpflichtet, so dass die Verwerfung des Einspruchs frei von Rechtsfehlern war und die Rechtsbeschwerde unbegründet ist.“