Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) erfuhr zum 1.1.2022 und damit vor gut zehn Monaten erhebliche Änderungen im Kaufrecht durch die Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie (EU) 2019/771 (WKRL) und der Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (DIRL). Der gesetzgeberische Beweggrund ist sicherlich gut nachzuvollziehen, da größtenteils die bestehenden Vorschriften auf das Bereitstellen digitaler Produkte nicht mehr passten, so dass der (europäische) Gesetzgeber sich gezwungen sah Neuerungen zu schaffen.

Die Folge war nicht nur eine Überarbeitung des bisherigen Kaufrechts, sondern auch die Einführung neuer Vorschriften für digitale Produkte (§§ 327 ff. BGB) sowie für Waren mit digitalen Produkten (§§ 474 ff. BGB). Damit allerdings fangen die Probleme erst an, wenn es um die Einordnung geht, welche Mangelrechte Anwendung finden. So wird von den mit entsprechenden Fallgestaltungen betroffenen Juristen künftig auch technisches Verständnis gefragt sein, um abzuklären, ob es um Waren mit digitalen Elementen oder um digitale Produkte geht; weiter wird zu differenzieren sein, ob es sich um Waren mit notwendigen digitalen Produkten handelt oder nicht. Die Frage lautet also: Kann die Ware ohne den digitalen Dienst (noch) nicht funktionieren? Damit aber noch nicht genug: so ist es durchaus auch möglich, dass eine Ware mit digitalen Produkten Mängel in verschiedenen Bereichen aufweist, so dass die einzelnen Mangelrechte womöglich sogar kumulativ Anwendung finden können. Übliche vertragliche Regelungen zum Kauf- oder Werkvertragsrecht stehen daher neben den besonderen Regelungen der §§ 327 ff. BGB.

Der Gesetzgeber hat somit dafür gesorgt, dass einem die Arbeit nicht ausgehen wird, da viele Aspekte im Hinblick auf die Anwendbarkeit der verschiedenen Normen noch ungeklärt sind und der Aufarbeitung durch die Rechtsprechung bedürfen. Auswirkungen der Gesetzesänderungen werden sich v.a. auch beim Pkw-Kauf zeigen, da die fortschreitende Automatisierung (bis hin zum autonomen Fahren) zu einer weiteren Digitalisierung der Fahrzeuge führen wird.

Die Einordnung in spezielle Vertragstypen nimmt daher bei digitalen Produkten ab, so dass dadurch auch die Einordnung der Vorschriften für digitale Produkte in den Allgemeinen Teil des Schuldrechts erklärlich wird. Die Ergänzung des BGB durch diese Vorschriften bestätigt einmal mehr die Tendenz des Gesetzgebers, Sachverhalte detailliert in das Gesetz aufzunehmen. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang, dass zum 1.7.2022 das Gesetz für faire Verbraucherverträge in Kraft getreten ist (vgl. "Kündigungsbutton").

Der Rechtsanwender wird mit den gesetzlichen Regelungen leben müssen, dies bedingt aber auch, dass man sich mit diesen intensiv auseinander setzt, um rechtlich auf der "sicheren Seite" zu sein und trotz der verschiedenen Verortung im BGB nicht den Überblick zu verlieren. Dem "Normalbürger" hingegen wird der Anwendungsbereich der einzelnen Vorschriften weitestgehend verschlossen bleiben. "Gutbürgerlich" ist das Bürgerliche Gesetzbuch nicht mehr. Aber beschweren wir uns nicht, denn frei nach Werner Koczwara gilt: "Der Anwalt ist der gebührenpflichtige Decoder."

Autor: Matthias Köck

RA Dr. Matthias Köck, Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Arbeitsrecht, Nürnberg

zfs 10/2022, S. 541

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