Das Stichwort "Verfahrenshindernis" kann in einem Fall wie diesem zwei Aspekte betreffen: Ist im Bußgeldbescheid die Tat nicht hinreichend konkretisiert, kann in sehr seltenen Fällen der Bußgeldbescheid an sich unwirksam sein. Eher zu denken wäre jedoch an eine fehlende Unterbrechung der Verfolgungsverjährung. Jedoch ist die Rspr. auch hier restriktiv. Das OLG Celle stellt vorliegend völlig zu Recht darauf ab, dass die Wirkstoffkonzentration nicht zwingend im Bußgeldbescheid genannt werden muss, denn im Gegensatz zur Alkoholisierung ist ein fester Grenzwert ja nicht einmal im Gesetz festgeschrieben.
Interessant (wenngleich bereits überholt, da die eigene Rspr. schon kurz danach aufgegeben wurde: OLG Celle, Beschl. v. 30.4.2015 – 321 SsBs 42/15, juris) sind zudem die Ausführungen zur Fahrlässigkeit. Das OLG Bremen (OLG Bremen NStZ-RR 2014, 257) fordert im Rahmen des § 24a StVG von einem Cannabis-Konsumenten, dass er sich als Kraftfahrer erst in den Straßenverkehr begeben darf, wenn er sicherstellen kann, den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht mehr zu erreichen. Das erfordert ein ausreichendes – ggf. mehrtägiges – Warten zwischen letztem Cannabiskonsum und Fahrtantritt (entgegen OLG Zweibrücken Blutalkohol 46, 99 und OLG Frankfurt NZV 2010, 530, auf das sich das OLG Celle hier stützt). Im Regelfall besteht für den Tatrichter kein Anlass, an der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung und dem subjektiven Sorgfaltsverstoß zu zweifeln, wenn der analytische Grenzwert nach Beendigung der Fahrt erreicht ist. Beim Fahren unter Betäubungsmitteleinfluss handelt nach Ansicht des OLG Koblenz (Blutalkohol 51, 351) jedenfalls fahrlässig, wer vor Fahrtantritt Drogen konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer seines Fahrzeugs setzt, ohne sicherzustellen, dass der Rauschmittelstoff vollständig unter den analytischen Grenzwert abgebaut ist. Unabhängig vom Zeitpunkt des Drogenkonsums muss sich ein Kraftfahrzeugführer daher hinreichend über die mögliche Wirkdauer der Droge erkundigen.
Demgegenüber fordert das OLG Celle hier offenbar Feststellungen zur vergangenen Zeit zwischen Konsum und Fahrt und zu den Vorstellungen des Betr., insb. wenn der Grenzwert nur gering – was auch immer dies bedeuten mag – überschritten wurde. Dabei wird hier mit dem Grenzwert etwas zu lax umgegangen: Warum genau kann aus einer "geringfügigen" Überschreitung des Grenzwerts hier kein Schluss zum Nachteil des Betr. gezogen werden? Hier hätte es durchaus des Hinweises auf die nötige Stellungnahme eines Rechtsmediziners bedurft. Meiner Ansicht nach verlangt die Überschreitung des Grenzwerts geradezu vom Betr., sich entlastend aktiv einzubringen, denn ansonsten darf das Gericht eben gerade auf fahrlässiges Verhalten schließen. Wenn der Betr. wie hier bloß schweigt, kann ihm das nicht auch noch auf Tatbestandsebene zugutekommen, wenn der Grenzwert überschritten wurde. Dass aus körperlichen Reaktionen, die alleine aus Müdigkeit resultieren können, kein alleiniger Rückschluss gezogen werden darf, ist auch bei Alkoholfahrten bekannt – keine Frage. Aber bei konsequenter Fortsetzung der vorliegenden Rspr. würde der Grenzwert des Betäubungsmittelkonsums in seiner Bedeutung möglicherweise nivelliert. Interessanterweise hat sich das OLG Celle nunmehr der oben zitierten Rspr. aus Bremen und Koblenz angeschlossen und an der vorliegenden Entscheidung explizit nicht mehr festgehalten.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 11/2015, S. 649 - 651