RVG § 5 § 45 Abs. 1 § 48 Abs. 1; VV RVG Nr. 3104 Nr. 3106
Leitsatz
1. In gleicher Weise wie die Partei muss auch die Staatskasse die vertragsmäßige Erfüllung der Anwaltspflichten durch einen Vertreter i.S.v. § 5 RVG gegen sich gelten lassen.
2. Die Vorlage einer Untervollmacht ist für die Annahme einer Vertretung gem. § 5 RVG nicht erforderlich, wenn sich aus den Gesamtumständen keine nennenswerten Zweifel ergeben.
BayLSG, Beschl. v. 18.3.2015 – L 15 SF 241/14 E
Sachverhalt
Am 6.5.2013 erhob die Kl. durch ihren Prozessbevollmächtigten RA Dr. A vor dem SG Bayreuth Klage betreffend die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids. Gleichzeitig beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Zu dem auf den 7.2.2014 angesetzten Erörterungstermin erschien für die Kl. nicht RA Dr. A, sondern RA F, der Fachanwalt für Sozial- und Arbeitsrecht war und jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt in Bürogemeinschaft mit RA Dr. A tätig war. Die Kl. erteilte RA F im Termin Vollmacht. Der Rechtsstreit wurde im Termin durch Klagerücknahme beendet. Am 3.4.2014 bewilligte das SG Bayreuth der Kl. mit Rückwirkung zum 6.5.2013 PKH unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.
Hieraufhin beantragte RA Dr. A die Festsetzung der ihm aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen, darunter einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte die Terminsgebühr mit der Begründung ab, das SG habe RA Dr. A beigeordnet, den Termin habe jedoch RA F wahrgenommen, der somit grds. den Anspruch auf die Terminsgebühr habe. RA F habe diesen Anspruch jedoch weder selbst geltend gemacht noch sei er im Rahmen der PKH beigeordnet worden. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des RA Dr. A hat das SG Bayreuth zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde des RA Dr. A hatte beim BayLSG hinsichtlich der umstrittenen Terminsgebühr Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … II.2.a. Der Beschwerdeführer hat entgegen der Ansicht der Kostenbeamtin und des SG Anspruch auf eine Terminsgebühr i.H.v. 200 EUR und von weiteren Auslagen i.H.v. 14,80 EUR."
aa. Der im Wege der PKH beigeordnete RA erhält nach § 45 Abs. 1 RVG die gesetzliche Vergütung von der Staatskasse, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Nach seinem Grund und seiner Höhe ist dieser Vergütungsanspruch gem. § 48 Abs. 1 RVG von dem Umfang der Beiordnung abhängig (Hartmann, KostG, 44. Aufl., § 48 RVG, Rn 5, m.w.N.). Der beigeordnete RA kann sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung und unter der Voraussetzung einer wirksamen Vollmacht des begünstigten Beteiligten ergeben.
Vorliegend besteht ein Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers. Zwischen der Kl. und dem Beschwerdeführer hat ein Mandatsverhältnis, welches durch die Vorlage einer Prozessvollmacht dokumentiert ist, bestanden. Im PKH-Beschluss ist der Beschwerdeführer beigeordnet worden.
bb. Was den Umfang des Vergütungsanspruchs betrifft, kann der beigeordnete RA nach § 48 Abs. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Maßgeblich ist derjenige Zeitpunkt, der im Beiordnungsbeschluss als Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beiordnung festgesetzt ist. Das SG hat rückwirkend den 6.5.2013 als Zeitpunkt der Klageerhebung festgesetzt. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Beiordnung ist für das Festsetzungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG bindend; die inhaltliche Richtigkeit des Zeitpunktes kann nicht mehr überprüft werden. …
cc. Es hat keinen Einfluss auf den Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, dass der Beschwerdeführer nicht im Erörterungstermin anwesend gewesen ist, sondern sich von RA F vertreten hat lassen. Denn § 5 RVG sieht eine Vergütung auch für den Fall vor, dass der RA, der eine Tätigkeit nicht persönlich erbringt, sich durch einen anderen RA vertreten lässt. Zwar schuldet der Prozessbevollmächtigte der von ihm vertretenen Partei grds. die nach dem Anwaltsvertrag zu erbringenden Dienste in eigener Person (§ 613 S. 1 BGB), jedoch war die im Termin persönlich anwesende Kl. mit einem Auftreten von RA F für den Beschwerdeführer einverstanden. In gleicher Weise wie die Partei muss auch die Staatskasse die vertragsgemäße Erfüllung der Anwaltspflichten durch einen Vertreter i.S.v. § 5 RVG gegen sich gelten lassen, da die Beiordnung auf eine Anwaltstätigkeit im Rahmen eines privatrechtlichen Anwaltsvertrags abstellt (OLG Köln, Beschl. v. 29.3.2010 – II-4 WF 32/10, 4 WF 32/10, m.w.N.; LSG NRW, a.a.O.; LSG Thüringen, Beschl. v. 4.11.1999 – L 6 B 37/99).
Der Senat hat vorliegend keine Zweifel daran, dass RA F für den Beschwerdeführer aufgetreten ist. Dies ergibt sich bereits aus der Zusammenarbeit des Genannten mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Bürogemeinschaft sowie aus dessen ausdrücklichen Erklärung. Dafür, dass RA F nicht als Vertreter tätig geworden sein könnte, sondern im Rahmen eines neuen Mandatsverhältnisses, s...