Immer wieder gibt es in der Schadensregulierung Streit über die Höhe der Abschleppkosten. Dies gilt besonders dann, wenn der Unfall sich in einiger Entfernung zur Stammwerkstatt ereignet hat und das Fahrzeug nach dem Unfall in diese Werkstatt verbracht wurde. Eine Regulierung dieser Mehrkosten will der Versicherer regelmäßig dadurch umgehen, dass er einwendet, dass Fahrzeug hätte in der nächstgelegenen Werkstatt repariert werden können oder aber, dass ein Totalschaden eingetreten wäre und dadurch sowieso kein Interesse bestehen könne, dass Fahrzeug in die Heimatwerkstatt zu verbringen. Letzteres würde jedoch bereits voraussetzen, dass für den Geschädigten am Unfallort hätte erkennbar sein müssen, dass eine Reparatur sowieso nicht mehr in Betracht käme. Nur selten kann jedoch vom Geschädigten verlangt werden, dass er erkennt, dass die Reparaturkosten weit höher sind als der Wiederbeschaffungswert. Zudem ist zu bedenken, dass der Geschädigte an der Verbringung des Fahrzeugs zu seiner Werkstatt ein Interesse haben kann, wenn er beabsichtigt, dass Fahrzeug dort in Zahlung zu geben, um ein Ersatzfahrzeug ggf. günstiger erwerben zu können (OLG Hamm VersR 1970,43).
Erst recht stellt es im Regelfall keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug nach einem Unfall auch mehrere Hundert Kilometer zu seiner Werkstatt verbringen lässt bzw. seine Werkstatt beauftragt, dass Fahrzeug am Unfallort abzuholen. Den Geschädigten trifft keine Pflicht, seinen Pkw am Unfallort reparieren zu lassen, um auf diese Weise den Schaden zu minimieren. Denn selbst wenn der Geschädigte am Unfallort würde reparieren lassen, würden nicht unerhebliche Kosten für die An- und Rückreise sowie die Übernachtung und Urlaubsentgelt anfallen. Dem Geschädigten ist in einem solchen Fall eine Reparatur vor Ort nicht zuzumuten. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit dem zeitlichen und finanziellen Aufwand, der entsteht, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug am Unfallort reparieren lassen würde. Der Geschädigte müsste mindestens zwei Tage für die Anreise und Rückreise zur Reparaturwerkstatt am Unfallort aufwenden. Dieser Verlust an Freizeit wird nicht ausgeglichen. Es ist auch nicht zumutbar, dass der Geschädigte dafür Urlaub in Anspruch nimmt. Auch die finanzielle Abgeltung verschafft ihm nicht die Möglichkeit, seinen Urlaub zu Erholungszwecken nach eigener Zweckbestimmung einzusetzen. Zudem trägt er durch eine so lange Reise – ohne von ihm verursachte Notwendigkeit – ein erhöhtes Risiko für sich und sein Eigentum. Hinzu kommt, dass der Geschädigte bei einer nicht auszuschließenden nicht ordnungsgemäßen Reparatur die notwendigen Ansprüche weit von seinem Wohnort geltend machen müsste. Auch das könnte mit weiteren Schwierigkeiten allein wegen der Entfernung verbunden sein.
In diesem Sinne haben bspw. entschieden: AG Halle – 96 C 1725/10; AG Korbach – 3 C 7/17; AG Ingolstadt – 10 C 2291/15; AG Ratingen – 9 C 292/13; AG Siegburg – 124 C 7/16; AG Rosenheim – 8 C 90/17; AG Hohenstein-Ernstthal – 4 C 430/17.