[…] II. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG statthaften, auch im Übrigen zulässigen und allein auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat aus den Gründen der Stellungnahme der GenStA in ihrer Antragsschrift vom 20.12.2023 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
Einer ergänzenden Erörterung bedarf aus Sicht des Senats das Folgende:
Es ist – soweit ersichtlich – bislang obergerichtlich nicht geklärt, ob § 1 S. 1 Nr. 1 der 9. Ausnahmeverordnung zur StVO für die dort bezeichneten Fahrzeuge auch dann gilt, wenn eine Kraftfahrstraße zwar durch Zeichen 331.1 der Anlage 3 zur StVO gekennzeichnet ist, aber über keine bauliche Trennung verfügt.
Die Rechtsansicht des AG, wonach – unabhängig von der bauartbedingten Zulassung des Gespanns für eine höhere Geschwindigkeit – auf Kraftfahrstraßen ohne bauliche Trennung der Richtungsfahrbahnen eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h gelte, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
§ 1 Satz 1 der 9. Ausnahmeverordnung zur StVO bestimmt, dass abweichend von § 18 Abs. 5 Nr. 1 StVO (gemeint ist offensichtlich: § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StVO = Anm. d. Senats), wonach die zulässige Höchstgeschwindigkeit 80 km/h beträgt, auf Autobahnen (Zeichen 330.1) und Kraftfahrstraßen (Zeichen 331.1) die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h erweitert wird, sofern die Kombination aus Pkw und Anhänger bestimmte, in der Ausnahmeverordnung näher definierte technische Voraussetzungen erfüllt.
1. Bereits der Wortlaut des § 1 Satz 1 der 9. Ausnahmeverordnung zur StVO spricht durch die Verwendung der Formulierung "abweichend von § 18 Abs. 5 Nr. 1 StVO" dafür, dass es sich insoweit um eine Ausnahmevorschrift von § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO handelt, der auf Autobahnen und autobahnähnlich ausgebauten Kraftfahrstraßen eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h für Personenkraftwagen mit Anhänger vorsieht.
2. Auch systematische Erwägungen sprechen gegen eine Auslegung dahingehend, dass durch die Verwendung der Worte "Autobahnen (Zeichen 330.1) und Kraftfahrtstraßen (Zeichen 331.1)" der Geltungsbereich der Vorschrift des § 1 Satz 1 der 9. Ausnahmeverordnung zur StVO auf alle Kraftfahrstraßen (auch die ohne bauliche Trennung der Richtungsfahrbahnen) ausgedehnt werden sollte. Zwar stellt die Verwendung der Worte "Autobahnen (Zeichen 330.1) und Kraftfahrtstraßen (Zeichen 331.1)" eine Tautologie dar, nachdem es sich bei allen in § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO genannten Straßen um Autobahnen und Kraftfahrstraßen handelt. Hätte der Verordnungsgeber gewollt, dass auf allen Autobahnen und Kraftfahrstraßen – unabhängig von ihrer baulichen Ausgestaltung – eine die technischen Spezifikationen des § 1 Satz 1 der 9. Ausnahmeverordnung zur StVO erfüllende Kombination aus Pkw und Anhänger eine Höchstgeschwindigkeit bis zu 100 km/h fahren darf, so hätte er sich wiederum die Worte "abweichend von § 18 Abs. 5 Nr. 1 der StVO" sparen können, da gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 lt. a) bb) StVO für Personenkraftwagen mit Anhänger außerhalb geschlossener Ortschaften ohnehin eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h gilt, die auch durch § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO nicht erhöht wird.
Hinzu kommt, dass § 1 Satz 1 der 9. Ausnahmeverordnung zur StVO, wie schon der Name der Vorschrift nahelegt, als Ausnahmevorschrift von § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StVO konzipiert ist, was wiederum für eine eher enge Auslegung des Anwendungsbereichs und dagegen spricht, dass der Verordnungsgeber den Geltungsbereich der Norm über § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StVO hinaus ausweiten und ihn auf sämtliche Autobahnen und Kraftfahrstraßen im Sinne des § 18 Abs. 1 StVO ausweiten wollte.
3. Vor allem aber sprechen Sinn und Zweck des § 1 Satz 1 der 9. Ausnahmeverordnung zur StVO für die Begrenzung des Geltungsbereichs auf Autobahnen und autobahnähnlichen Kraftfahrstraßen im Sinne des § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StVO.
Die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit für Personenkraftwagen mit Anhänger auf 80 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 lt. a) bb) StVO), die auch für Autobahnen und autobahnähnlich ausgebaute Kraftfahrstraßen gilt (§ 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StVO), beruht auf der Erwägung, dass Gespanne bei höheren Geschwindigkeiten zu Schwingungen neigen, welche ihre Fahrstabilität und Spurtreue beeinträchtigen und damit sowohl die Sicherheit der Insassen als auch die des übrigen Verkehrs gefährden. Nach derzeitiger Rechtslage weicht die Regelung in § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StVO nicht von § 3 Abs. 3 Nr. 2 lt. a) bb) StVO ab, obwohl durch das Erfordernis der baulichen Trennung der Fahrbahnen durch Grünstreifen, Bordsteine, Leitplanken o.ä. Einrichtungen das Überfahren der Fahrbahnbegrenzung erschwert wird (vgl. König in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht § 18 Rn 19a). In der Begründung zur 9. Ausnahmeverordnung zur StVO vom 15.10.1998 führt das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen aus, dass Hintergrund der Regelung der zulässigen Hö...