(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)
I. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist begründet, da die zulässige Klage unbegründet ist.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte wegen der Beschädigungen an seinem Ackerschlepper durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall keinen Anspruch auf Schadensersatz. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG.
Zwar sind die Beschädigungen am klägerischen Ackerschlepper bei Betrieb des bei der Beklagten versicherten Motorrades entstanden. Der Anspruch des Klägers ist aber nach § 17 Abs. 2 und 1 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall jedenfalls weit überwiegend durch den Führer des klägerischen Ackerschleppers, den Zeugen A, verursacht worden ist.
a) Eine Abwägung der Verursachungsbeiträge ist nicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 StVG zugunsten des Klägers ausgeschlossen, da sich der Unfall – wie auch das Landgericht festgestellt hat – aus dessen Sicht nicht als unabwendbares Ereignis darstellt. Das Landgericht hat die Feststellung getroffen, dass der linke Außenspiegel verschmutzt war. Dadurch hat der Zeuge A gegen § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass – worauf das Landgericht nicht näher eingegangen ist – eine freie Rücksicht dazu geführt hätte, dass der Zeuge A das Motorrad rechtzeitig hätte bemerken und den Abbiegevorgang unfallverhindernd abbrechen können.
b) Die mangels Unabwendbarkeit durchzuführende Abwägung der feststehenden – unstreitigen, zugestandenen oder bewiesenen – Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG ergibt eine Alleinhaftung des Klägers.
aa) Zulasten der Beklagten lassen sich keine die Betriebsgefahr erhöhenden Umstände feststellen.
(1) Es war kein Verstoß des verstorbenen Motorradfahrers gegen § 5 Abs. 7 Satz 1 StVO, wonach derjenige, der seine Absicht nach links abzubiegen, angekündigt und sich eingeordnet hat, rechts zu überholen ist, in die Abwägung einzustellen. Ein solcher Verstoß lässt sich nicht feststellen. Zwar ist das Landgericht von einem solchen Verstoß ausgegangen und hat ihn damit begründet, dass der Zeuge A den Fahrtrichtungsanzeiger ca. 130 m vor dem Abbiegevorgang – rechtzeitig – gesetzt habe und dieser für den Motorradfahrer – trotz der Verschmutzungen am Fahrtrichtungsanzeiger – sichtbar gewesen sei.
Der Senat ist an diese Feststellung des Landgerichts aber nicht gebunden, da an den Feststellungen des Landgerichts Zweifel bestehen. Nach § 529 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung an diese Feststellungen entfallen lassen, können sich aus erstinstanzlichen Verfahrensfehlern ergeben. Ein Verfahrensfehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung nicht den Anforderungen genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn sie unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen können sich außerdem aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht die Beweisaufnahme anders würdigt als die Vorinstanz. Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2021 – VI ZR 100/20, r+s 2022, 48 Rn 15 f.; Senat, Beschl. v. 7.1.2021 – 7 U 53/20, BeckRS 2021, 2530 = juris Rn 21 m.w.N.).
Auch nach erneuter Beweisaufnahme lässt sich ein Verstoß des Motorradfahrers insoweit nicht feststellen. Der Umstand, dass der Blinker bei Eintreffen der Polizei gesetzt war, begründet isoliert keinen Beweis, dass er auch rechtzeitig vor dem Abbiegen gesetzt worden ist (OLG Hamm, Urt. v. 2.3.2012 – 9 U 193/11, juris Rn 28), da zum einen der Blinker zwar vor dem Abbiegen, aber zu spät gesetzt worden sein kann, zum anderen aber auch nach dem Unfall, nachdem der Fahrer seinen Fehler bemerkt hat.
Auch aufgrund der Bekundungen des Zeugen A ließ sich kein Verstoß feststellen. Zwar hat der Zeuge vor dem Landgericht und dem Senat bekundet, er habe den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und sich eingeordnet. Diese Bekundung ist allerdings nicht belastbar. Der Senat hat keine Anhaltspunkte für einen Erlebnisbezug der geschilderten Details. Allein der vom Landgericht ins Feld geführte Umstand, dass der Zeuge bekundet hat, er habe sich an einer anderen, etwa 130 m entfernten Zuwegung für das Einschalten des Blinkers orientiert, lässt nicht mit hinrei...