1) Häufig werden Kraftfahrer, die bei für sie grün zeigender Lichtzeichenanlage in eine Kreuzung eingefahren sind, an der Weiterfahrt durch voraus fahrende Linksabbieger gehindert, die kreuzenden Gegenverkehr beachten müssen und deshalb anhalten. Das führt dazu, dass bei Umspringen der Lichtzeichenanlage für den seitlichen Verkehr die Gefahr von Zusammenstößen der Nachzügler mit dem Anfahren des seitlichen Verkehrs besteht. Das wird dadurch ausgeschlossen, dass dem Nachzügler – grds. – ein Vorrang gegenüber dem seitlich anfahrenden Verkehr eingeräumt wird. Der seitlich einfahrende Verkehr muss Nachzüglern das Verlassen der Kreuzung ermöglichen und auf den hängen gebliebenen Verkehr Rücksicht nehmen (vgl. BGH NJW 1971, 1407; BGH NJW 1977, 1394; KG NZV 2003, 43; OLG Köln VRS 72, 212; OLG Hamburg NZV 1993, 405; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 37 StVO Rn 17; Burmann/Heß/Janker/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 37 StVO Rn 6).
2) Vorrang nur für "echte" Nachzügler
Eine Behinderung des Kreuzungsverkehrs geht nur von solchen Nachzüglern im Kreuzungsbereich aus, die sich im inneren Kreuzungsbereich aufhalten, dem Viereck, das nach dem Überfahren der Fluchtlinie die mit einander zu verbindenden Gehwegkanten bilden (vgl. OLG Hamm zfs 2005, 432, 433; OLG Hamburg DAR 2001, 217; OLG Düsseldorf NZV 1997, 481; OLG München OLGR 1995, 38; OLG Koblenz NZV 1998, 465; Hentschel/König/Dauer, a.a.O. § 37 StVO Rn 18; Burmann/Heß/Janker/Jahnke, a.a.O., § 37 Rn 6).
Unechten Nachzüglern, die zwar wie echte Nachzügler noch bei für sie grün zeigender Lichtzeichenanlage in den Kreuzungsbereich eingefahren sind, aber noch nicht den "eigentlichen" Kreuzungsbereich erreicht haben, genießen keinen Nachzüglervorrang, dürfen auch nicht darauf vertrauen, dass ihnen der nunmehr erlaubtermaßen anfahrende seitliche Verkehr das Durchfahren und Verlassen der Kreuzung gestatten wird (vgl. auch OLG Koblenz NZV 1998, 465; OLG Düsseldorf NZV 1997, 481, 482).
3) Sorgfaltspflichten des echten Nachzüglers und des seitlichen Verkehrs
Das Räumen der Kreuzung durch den echten Nachzügler ist gefährlich genug, da häufig die Kenntnis des Nachzüglervorrangs nicht bestehen wird und gerade bei geltendem Grünlicht für den seitlichen Verkehr ein fliegender Start bei der Einfahrt in den Kreuzungsbereich ohne Rücksicht auf den rückstauenden Querverkehr durch Nachzügler die Gefahr von Kollisionen gewählt wird. Mit einem solchen Fehlverhalten muss der Nachzügler rechnen, sodass ihm bei Erkennbarkeit des fliegenden Starts einfahrender Verkehrsteilnehmer und fehlendem Verzicht auf sein Vorrecht auf Verlassen des Kreuzungsbereichs eine Mitverantwortung an dem Eintritt des Unfalls trifft, die mit 1/3 bewertet werden kann (vgl. BGH NJW 1971, 1407). Allerdings wird die Haftungsquote seitlich einfahrender Verkehrsteilnehmer und deren Nichtbeachtung des Nachzüglervorrangs je auch den Einzelheiten der Verletzungshandlung höher zu bewerten sein (vgl. KG zfs 2004, 505: 67 %; KG VM 1993, 35: 67 %; KG VM 1981, 75: 67 %; OLG Düsseldorf VersR 1978, 1173: 67 %; KG NZV 2004, 574: 100 %; OLG Düsseldorf NZV 1997, 481: 100 %; OLG Düsseldorf VersR 1977, 841: 100 %; hinsichtlich weiterer Haftungsquoten auch bei Beteiligung unechter Nachzügler vgl. Grüneberg, Haftungsquoten, 11. Aufl., Rn 3)
RiOLG a.D. Heinz Diehl, Neu-Isenburg