" … 1. Allerdings ist das Erstgericht zu Recht davon ausgegangen, dass nur den Kl. die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG trifft, so dass er für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens grds. einzustehen hat. Denn die Unfallschäden sind beim Betrieb des klägerischen Pkw entstanden und der Unfall ist nicht auf höhere Gewalt i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG zurückzuführen. Dem gegenüber haftet der Bekl. nicht aus § 7 Abs. 1 StVG, da es sich bei dem vom Bekl. benutzten Pedelec – wie auch zwischen den Parteien unstreitig ist – nicht um ein Kfz i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG, sondern um ein Fahrrad im Rechtssinne handelt (vgl. nunmehr § 1 Abs. 3 StVG n.F.; für die Rechtslage davor vgl. Jaeger, zfs 2011, 663 ff m.w.N.)."
2. Zutreffend – und in der Berufung nicht mehr angegriffen – hat der Erstrichter auch auf Klägerseite ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls angenommen, weil die Zeugin … gegen die besonderen Pflichten beim Abbiegen in ein Grundstück verstoßen hat (§ 9 Abs. 5 StVO).
3. Auch soweit der Erstrichter ein Mitverschulden auf Seiten des Bekl. festgestellt hat, lässt dies im Ergebnis einen Rechtsfehler nicht erkennen. Denn der Bekl. hat entweder gegen die Pflichten beim Überholen (§ 5 Abs. 4 StVO) oder gegen seine Pflicht zur Einhaltung eines ausreichenden Abstands zu einem vorausfahrenden Fahrzeug (§ 4 Abs. 1 StVO) verstoßen. Ausgehend von dem Unfallhergang, wie ihn die Kammer anhand der bei der Akte befindlichen Videoaufnahme des Unfalls nachvollzogen hat, legt das Fahrverhalten des Bekl. nahe, dass er die Zeugin … im Hinblick auf deren Verlangsamen überholen wollte. Der Bekl. hat indes seinen Überholvorgang erst begonnen, nachdem bereits der linke Fahrtrichtungsanzeiger am klägerischen Fahrzeug betätigt war und das Fahrzeug deutlich verlangsamte, so dass er sich auf ein Linksabbiegen des Vorausfahrenden hätte einstellen müssen. Ein unbehindertes Überholen war danach ausgeschlossen, so dass der Bekl. gegen § 5 Abs. 4 S. 4 StVO verstoßen hätte. Aber auch wenn der Bekl. – entsprechend seinen eigenen Angaben – überhaupt nicht überholen wollte, träfe ihn ein Sorgfaltsverstoß. Denn er hätte in diesem Fall insb. im Hinblick auf das deutliche Verlangsamen der Zeugin … einen ausreichenden Abstand einhalten müssen und nicht – wie erfolgt – so dicht auffahren dürfen, dass ihm ein gefahrloses Bremsen hinter dem abbiegenden Kl.-Pkw unmöglich war. In diesem Fall träfe den Bekl. ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO, der bestimmt, dass der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug i.d.R. so groß sein muss, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.
4. Die Berufung wendet sich aber mit Erfolg gegen die vom Erstrichter im Rahmen der § 9 StVG, § 254 BGB vorgenommene Haftungsabwägung. Es entspricht st. Rspr. der Kammer und ist weitgehend anerkannt, dass der Verstoß gegen die höchstmögliche Sorgfalt gem. § 9 Abs. 5 StVO grds. zu einer überwiegenden Haftung des Abbiegenden führt (vgl. KG, VM 1995, 92; OLG Koblenz DAR 2005, 403; OLG Rostock SP 2010, 316; Kammer, Hinweisbeschl. v. 28.3.2012 – 13 S 18/12; Urt. v. 16.1.2013 – 13 S 156/12, SP 2013, 266; LG Mönchengladbach SP 2006, 247). Gründe, die geeignet wären, von diesem Grundsatz abzuweichen, sind im Streitfall weder dargetan noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat die Kammer den Grundsatz der überwiegenden Haftung des in ein Grundstück Abbiegenden auch in Fällen des Verstoßes gegen ein Überholverbot zur Anwendung gebracht (vgl. zuletzt Kammer, Urt. v. 18.1.2013 a.a.O.). Dem entsprechend hält die Kammer hier – auch im Hinblick auf den Umstand, dass es sich bei dem Bekl. um einen Fahrradfahrer handelt – eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Kl. für angemessen.
5. Danach ergibt sich folgende Schadensabrechnung:
a) Kl.
2.199,09 EUR x 1/3 – 733,03 EUR
b) Bekl.
Der Bekl. kann auf der Grundlage des vorgelegten Kostenvoranschlages seinen Reparaturschaden i.H.v. 1.335 EUR (1.688,66 EUR ./. 19 % MwSt.) geltend machen. Darüber hinaus kann er nach Maßgabe der Rechnung vom 27.8.2012 gem. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB Ersatz von MwSt. i.H.v. 147,45 EUR verlangen. Denn auch in Fällen, in denen der Geschädigte – wie hier – seinen Schaden im Übrigen fiktiv abrechnet, ist er zur Geltendmachung von Umsatzsteuer berechtigt, soweit diese im Rahmen einer zulässigen Schadensbeseitigung angefallen ist (vgl. BGH, Urt. v. 6.2.2013 – VI ZR 363/11, VersR 2013, 471; Kammer, Urt. v. 21.6.2010 – 13 S 5/10). Mithin ergibt sich ein noch zu zahlender Betrag von 1.335 + 147,45 EUR = 1.482,45 × 2/3 = 988,30 EUR.
6. Der Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Anwaltskosten gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, §§ 2, 13 RVG i.V.m, Nr. 2300, 7002, 7008 RVG VV beziffert sich wie folgt:
a) Kl. 1,3-Geschäftsgebühr 84,50 + Auslagenpauschale 16,90 + 19 % MwSt. 19,27 EUR = 120,67 EUR
b) Bekl. 1,3-Geschäftsgebühr 110,50 + Auslagenpauschale 20 EUR + 19 % MwSt. 24,80 EUR = 565,30 EUR.
7. Der Zinsausspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.“
Mitgeteilt vom Präsidenten des LG Saarbrücken Freymann