Der vom V. ZS des BGH in den Beschlussgründen mehrfach verwandte Begriff der "Ermäßigung" der Verfahrensgebühr führt in die Irre. Die Verfahrensgebühr entsteht nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. In welcher Höhe sie berechnet werden kann, richtet sich nach dem einschlägigen Gebührentatbestand im VV RVG. Im Berufungsverfahren entsteht nach Nr. 3200 VV RVG eine 1,6 Verfahrensgebühr. Diese Gebührenvorschrift muss jedoch im Zusammenhang mit der Nr. 3201 VV RVG gesehen werden, der in seiner Nr. 1 die Fälle der vorzeitigen Beendigung regelt. Aus dem Umkehrschluss zu dieser Vorschrift folgt, dass der Prozessbevollmächtigte die volle – hier also die 1,6 – Verfahrensgebühr – dann verdient, wenn er eine der in Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG aufgeführten Tätigkeiten ausgeübt hat. Darunter fällt auch das Einreichen eines Schriftsatzes mit Sachvortrag oder Sachantrag. Hat der Prozessbevollmächtigte derartige Tätigkeiten nicht entfaltet, entsteht ihm lediglich die 1,1 Verfahrensgebühr. Hat er jedoch beispielsweise einen Schriftsatz mit Sachantrag eingereicht, ist ihm die 1,6 Verfahrensgebühr angefallen. Eine bereits entstandene Gebühr kann sich jedoch – wie aus § 15 Abs. 4 RVG folgt – nicht ermäßigen. Ist sie somit für das Einreichen eines Schriftsatzes mit Sachantrag in voller Höhe – hier also mit einem Gebührensatz von 1,6 – entstanden, können nachträgliche Ereignisse weder zum völligen Wegfall noch auch nur zur Ermäßigung dieser Verfahrensgebühr führen.
In seinem Beschluss folgt der V. ZS des BGH dem XII. ZS des BGH RVGreport 2009, 274 (Hansens) = AGS 2009, 313) nicht nur im Ergebnis, vielmehr hat der V. ZS des BGH in Teilbereichen die Beschlussbegründung des XII ZS des BGH fast wörtlich übernommen. Der VI. ZS des BGH RVGreport 2007, 427 (Hansens) hat seine gegenteilige Auffassung aufgegeben. Damit entspricht es allgemeiner Auffassung der bisher mit dieser Frage befassten ZS des BGH, dass sich ein verfrüht gestellter Rechtsmittelzurückweisungsantrag im Nachhinein als notwendig angesehen werden kann, wenn der Rechtsmittelführer in der Folgezeit sein Rechtsmittel begründet. Dem ist zuzustimmen.
Zur Vermeidung erstattungsrechtlicher Nachteile sollte der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners unmittelbar nach Zustellung der Rechtsmittelschrift dem Rechtsmittelgericht seine Bestellung anzeigen und gleichzeitig einen Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels stellen. Damit ist nach außen hin erkennbar, dass und spätestens wann der Rechtsmittelgegner einen Anwalt für das Rechtsmittelverfahren beauftragt hat. Wird das Rechtsmittel dann ohne Einreichen einer Rechtsmittelbegründung zurückgenommen oder verworfen, muss der Rechtsmittelgegner im Kostenfestsetzungsverfahren nicht darlegen und ggf. glaubhaft machen, dass und wann er seinen Anwalt mit der Vertretung im Rechtsmittelverfahren beauftragt hat, weil dies praktisch aktenkundig ist. Allerdings ist dann die hierdurch angefallene 1,6 Verfahrensgebühr nicht in voller Höhe erstattungsfähig, weil es vor dem Vorliegen der Rechtsmittelbegründung nicht notwendig ist, einen Rechtsmittelzurückweisungsantrag zu stellen. Für den Rechtsmittelbeklagten wäre es lediglich notwendig gewesen, einen Anwalt für das Rechtsmittelverfahren zu beauftragen, wodurch die 1,1 Verfahrensgebühr angefallen wäre. In diesem Fall ist dann auch nur diese 1,1 Verfahrensgebühr erstattungsfähig. Wird das Rechtsmittel jedoch in der Folgezeit begründet, erweist sich der verfrühte Zurückweisungsantrag im Nachhinein als notwendig, wie der V. ZS des BGH hier zutreffend entschieden hat.
VRiLG Heinz Hansens
zfs 1/2014, S. 45 - 47