VVG § 126; UStG § 4 Nr. 10a § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1; ZPO § 104 Abs. 2 S. 3
Leitsatz
1. Das Schadenabwicklungsunternehmen eines Rechtsschutzversicherers i.S.v. § 126 VVG ist nicht vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
(Leitsatz des Gerichts)
2. Im Kostenfestsetzungsverfahren werden materiell-rechtliche Einwände gegen die Berechtigung zur Geltendmachung der Umsatzsteuer grds. nicht berücksichtigt.
3. Zahlt der Erstattungspflichtige die in einem Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Umsatzsteuer, so kann er einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Umsatzsteuerbeträge gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB im Klageverfahren geltend machen, wenn der Erstattungsberechtigte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 26.10. 2016 – IV ZR 34/16
Sachverhalt
Zwischen der Kl. und der W. AG bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, aus dem die Kl. und ihr Ehemann die Bekl. als Schadenabwicklungsunternehmen des VR vor dem LG Stuttgart – 22 O 155/07 – auf Deckung in Anspruch nahmen. Nach Beendigung des Rechtsstreits ergingen gegen die Kl. und ihren Ehemann Kostenfestsetzungsbeschlüsse zugunsten der Bekl., in denen anteilige Umsatzsteuer i.H.v. 608,19 EUR enthalten ist. In zwei weiteren Verfahren vor dem LG Stuttgart – 22 O 461/11 und 22 O 462/11 – wandten sich die Kl. und ihr Ehemann gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Bekl. aus dem Deckungsprozess. In jenen Verfahren ergingen gegen die Kl. und ihren Ehemann Kostenfestsetzungsbeschlüsse, in denen Umsatzsteuer i.H.v. 390,06 EUR und 385,23 EUR enthalten ist.
Die in diesen Kostenfestsetzungsbeschlüssen enthaltenen Umsatzsteuerbeträge zahlte die Kl. lediglich unter Vorbehalt. Dies hat sie damit begründet, die Bekl. sei vorsteuerabzugsberechtigt.
Vor dem AG Geldern hat die Kl. das beklagte Schadenabwicklungsunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns auf Rückzahlung der vorerwähnten Umsatzsteuerbeträge in Anspruch genommen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG Kleve hat die Berufung der Kl. zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision der Kl. hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[3] "… Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie auf die Berufung der Kl. zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage."
[4] I. Das BG hat ausgeführt, der Kl. stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Umsatzsteuerbeträge zu. Die Bekl. sei gem. § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG nicht vorsteuerabzugsberechtigt. …
[5] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[6] 1. Der Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Umsatzsteuerbeträge gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, weil die Erstattung der Umsatzsteuer in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen zu Unrecht zugunsten der Bekl. festgesetzt worden ist. Ein derartiger Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung kommt in Betracht, obwohl die Zahlung der Kl. aufgrund rechtskräftiger Kostenfestsetzungsbeschlüsse erfolgt ist (vgl. hierzu BGH BGHZ 163, 339, 341 f. = NJW 2015, 2926; BGH BGHZ 83, 278, 279 f. = NJW 1982, 1147; OLG Düsseldorf JurBüro 2004, 536, 538; ferner OLG Stuttgart Justiz 2000, 340, 341). Im Kostenfestsetzungsverfahren werden materiell-rechtliche Einwände gegen die Berechtigung zur Geltendmachung der Umsatzsteuer grds. nicht berücksichtigt (Zöller/Herget, ZPO 31. Aufl. § 91 Rn 13 “Umsatzsteuer’).
[7] 2. Rechtsfehlerhaft hat das BG angenommen, dass die Bekl. hier vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
[8] a) Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet hat. Gem. § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG sind steuerfrei die Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes. Das gilt auch, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt.
[9] Ein derartiger Fall einer Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG liegt hier entgegen der Auffassung des BG nicht vor. Die Bekl. hat keine Leistungen an die Kl. aufgrund eines Versicherungsverhältnisses erbracht. Anders als in dem vom BG herangezogenen Beschl. des OLG Düsseldorf (VersR 1992, 1492) sind hier nicht Leistungen des VR, sondern der Bekl. als Schadenabwicklungsunternehmen i.S.v. § 126 VVG zu beurteilen. Beauftragt der VR mit der Leistungsbearbeitung in der Rechtsschutzversicherung ein selbstständiges Schadenabwicklungsunternehmen, ist dieses gem. § 126 Abs. 1 S. 2 VVG im Versicherungsschein zu bezeichnen. Ansprüche auf die Versicherungsleistung aus einem Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung können, wenn ein selbststän...