StPO § 260 Abs. 3; OWiG § 46 Abs. 1
Wesentlich für den Bußgeldbescheid als Prozessvoraussetzung ist seine Aufgabe, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. Wird ein Ordnungswidrigkeitenvorwurf betreffend des 1.3.2010 erhoben, fehlt es an der Prozessvoraussetzung für eine am 2.3.2010 begangene Ordnungswidrigkeit.
(Leitsätze der Schriftleitung)
AG Dillenburg, Urt. v. 4.8.2010 – 3 OWi 2 Js 54242/10
Das AG stellt das Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ein.
Aus den Gründen:
“… Das Verfahren war wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen. Der Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums K. vom 14.4.2010 (Az. …), mit dem ein Ordnungswidrigkeitenvorwurf betreffend des 1.3.2010 erhoben wird, taugt nicht als Prozessvoraussetzung für eine am 2.3.2010 begangene Ordnungswidrigkeit.
Wesentlich für den Bußgeldbescheid als Prozessvoraussetzung ist seine Aufgabe, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. Diese Aufgabe erfüllt der Bußgeldbescheid in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll (BGH St 23, 336 – 342 = DAR 1971, 22 = NJW 1970, 2222, Blatt 83 d.A.). Mängel in dieser Richtung lassen sich weder mithilfe anderer Erkenntnisquellen, etwa dem Akteninhalt im Übrigen, ergänzen noch nachträglich, etwa durch Hinweise in der Hauptverhandlung, ‘heilen’ (BGH a.a.O.). Der Bußgeldbescheid erwächst, sofern er nicht angefochten wird, selbst in Rechtskraft. Er muss daher auch selbst die für seine Wirksamkeit notwendigen Voraussetzungen erfüllen, d.h die Gefahr einer Verwechslung mit einer möglichen gleichartigen Ordnungswidrigkeit desselben Betroffenen ausschließen (BGH a.a.O.). Der Betroffene konnte aber wegen der falschen Datumsangabe 1.3.2010 anstatt richtig 2.3.2010 nicht genau feststellen, welcher konkrete Lebensvorgang ihm zum Vorwurf gemacht wird, d.h., wogegen er sich verteidigen muss. Es bestand Verwechslungsgefahr, die die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides als Prozessgrundlage berührt. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Betroffene nach Begehen der ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit nicht angehalten wurde (vgl. OLG Köln 1 Ss 669/81 abgedr. in juris). Der Betroffene fährt arbeitsbedingt nahezu täglich im Bereich des Tatortes sowohl Richtung Norden als auch in Richtung Süden.
Da der Bußgeldbescheid wegen des schwerwiegenden Mangels der falschen Datumsangabe nicht als Prozessvoraussetzung taugt, ist das Verfahren wegen bestehenden Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 260 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG – vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl. § 66 Rn 38). …”
Mitgeteilt von RA Frank Pletka, Herborn