StPO § 275 Abs. 1 S. 2 i.V.m. OWiG § 71 Abs. 1
1. Ein Urteil in Bußgeldsachen ist gem. § 275 Abs. 1 S. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG spätestens binnen fünf Wochen zu den Akten zu bringen.
2. Dass die Akten ausweislich einer dienstlichen Stellungnahme eines erkennenden Richters zeitweilig unauffindbar waren, ist kein “nicht voraussehbarer und unabwendbarer Umstand i.S.v. § 275 Abs. 1 S. 4 StPO. Zumindest unabwendbar ist ein solches Vorkommnis bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt nicht.
(Leitsätze des Einsenders)
OLG Koblenz, Beschl. v. 26.8.2010 – 2 SsBS 84/10
Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs um 52 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße i.H.v. 240 EUR verurteilt und ihm für die Dauer eines Monats untersagt, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hebt das OLG das Urteil des AG mit den Feststellungen auf und verweist die Sache zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des AG zurück.
Aus den Gründen:
“ … II. Die Rechtsbeschwerde hat jedenfalls mit der in zulässiger Weise erhobenen und in der Sache begründeten Verfahrensrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Antragsschrift vom 17.8.2010 hierzu wie folgt geäußert:
‘Der gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 3, Abs. 4 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO), mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, wird ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht versagt bleiben können. Zwar kann dahinstehen, ob die auf die in allg. Form erhobene Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung der Anwendung materiellen Rechts Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen lässt. Denn jedenfalls greift die in zulässiger Form (§ 344 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWIG) erhobene Verfahrensrüge (RB, S. 2 f.) durch.
Das am 1.3.2010 verkündete Urteil (Bl. 84 ff., 86 d.A.) hätte gem. § 275 Abs. 1 S. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG spätestens binnen 5 Wochen, mithin bis zum 6.4.2010 – Dienstag nach Ostern, vgl. § 43 Abs. 2 StPO, Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 275, Rn 8 – ‘zu den Akten gebracht werden müssen. Indes ist es erst am 18.5.2010 zu den Akten (Bl. 100, 126 d.A.; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. AufI., § 275, Rn 7) und am 1.6.2010 zur Geschäftsstelle gelangt (Bl. 90 d.A.). Überdies liegt auch keine Rechtfertigung der Fristüberschreitung gem. § 275 Abs. 1 S. 4 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG vor. Dass die Akten ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des erkennenden Richters vom 4.8.2010 zeitweilig unauffindbar waren (BI. 124 d.A.), ist kein ‘nicht voraussehbarer und unabwendbarer Umstand’ i.S.v. § 275 Abs. 1 S. 4 StPO. Zumindest unabwendbar ist ein solches Vorkommnis bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt nicht (vgl. OLG Celle, NJW 1982, 397; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 275, Rn 14). Mithin unterliegt das Urteil gem. §§ 338 Nr. 7 StPO, 79 Abs. 3 OWiG der Aufhebung.’
Den zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. … ’