§ 286 ZPO gilt für den Bereich des sog. Strengbeweises. Er verlangt für die Überzeugung des Richters von der Wahrheit einer Behauptung einen hohen Überzeugungsgrad. Verlangt wird zwar keine absolute Gewissheit, noch nicht einmal eine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" (BGH VersR 1977, 721; 1989, 758, 759). Vielmehr muss sich der Richter mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256).
§ 287 ZPO verlangt im Gegensatz zu § 286 ZPO einen wesentlich geringeren Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. Hier kann sich der Richter mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit begnügen (BGH VersR 1972, 834; OLG München NJW 2011, 396). Die bloße zeitliche Nähe zwischen einem Unfallereignis und dem Auftreten der Beschwerden reicht jedoch nicht (OLG Naumburg, Urt. v. 21.1.2013 – 1 U 90/12, SVR 2014, 301; OLG München, Urt. v. 26.10.2012 – 10 U 4531/11). Zum Teil wird auch lediglich darauf abgestellt, ob eine erhebliche Wahrscheinlichkeit vorliegt (BGH VersR 1991, 437, 438). Es reicht aber zur Überzeugungsbildung nicht aus, wenn nach den festgestellten Einzeltatsachen "alles offen" bleibt (OLG München r+s 2006, 474; Urt. v. 26.10.2012 – 10 U 4531/11 = BeckRS 2012, 22131).
Dabei bewirkt § 287 ZPO in zweifacher Hinsicht eine Beweiserleichterung. Zum einen geht es um die Höhe des Schadens, zum anderen um den Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität. § 287 ZPO gilt auch für den Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität (BGH NJW 2008, 1381; 1993, 3073, 3076; 1987, 705, 706, Lepa, NZV 1992, 129, 132). Ist also streitig, ob eine Verletzungsfolge auf den bewiesenen oder unstreitigen Unfall zurückzuführen ist, so greift insoweit die Beweiserleichterung des § 287 ZPO ein.
Dabei ist die Anwendung des § 287 ZPO nicht nur auf Folgeschäden einer Verletzung beschränkt, sondern umfasst neben einer festgestellten oder unstreitigen Verletzung des Körpers entstehende weitere Körperschäden aus derselben Schadensursache (BGH NJW-RR 2009, 409; OLG Köln v. 19.2.2014 – 16 U 99/10 = r+s 2015, 98). Der Geschädigte muss lediglich den vollen Beweis dafür erbringen, dass er überhaupt verletzt worden ist.
Für den sog. ersten Verletzungserfolg kommen ihm allerdings keine Beweiserleichterungen zugute (BGH NJW 2004, 777; OLG München NZV 2003, 474; KG NZV 2010, 624). Gerade bei Verletzungen der Halswirbelsäule wird das Zusammenspiel zwischen § 286 und § 287 ZPO besonders deutlich. Für das Vorliegen der Primärverletzung, also der behaupteten Halswirbelsäulen-Verletzung, muss der Geschädigte den Vollbeweis nach § 286 ZPO erbringen. Für einen Folge- oder Dauerschaden gilt § 287 ZPO. Es genügt also die hinreichende oder überwiegende Wahrscheinlichkeit. Hier ist insbesondere darauf zu achten, dass die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO den Geschädigten nicht dadurch genommen werden dürfen, dass im Rahmen der Beweiserhebung medizinische Sachverständige einen strengeren Beweismaßstab anlegen. Eine Wahrscheinlichkeit, die auch medizinisch-wissenschaftlichen Kriterien Stand hält, ist nicht Voraussetzung für den Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität (OLG Hamm NZV 1994, 189, vgl. auch DAR 2001, 508). Insbesondere ist darauf zu achten, dass die sozialrechtliche Kausalitätslehre von der richtungsweisenden Verschlimmerung hier nicht gilt (vgl. BGH NJW-RR 2005, 897; Ziegert, DAR 1994, 257 sowie Lemke, NZV 1996, 337, 338). Für die Kausalität kommt es allein darauf an, ob es dem Geschädigten ohne den Unfall mit erheblicher Wahrscheinlichkeit besser ginge (Lemke, NZV 1996, 337, 342). Das Gericht sollte bereits im Beweisbeschluss den medizinischen Sachverständigen in verständiger Weise darauf hinweisen, dass im Haftpflichtrecht andere Kausalitäts- und Beweisforderungen gelten als im Sozialrecht (OLG Köln VersR 1998, 1249; Lemke, NZV 1996, 337, 341).