" … Soweit die Bekl. meinen, der streitgegenständliche Unfall stelle auf Seiten des Bekl. zu 1) ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG dar, kann dem nicht gefolgt werden. Unabwendbar ist ein Unfall nur dann, wenn er auch durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können, wobei auf das Verhalten eines Idealfahrers – erheblich über dem Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus – unter Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente einschließlich der Erwartung erheblicher fremder Fehler abzustellen ist (vgl. BGH VersR 1992, 714). Dabei trifft die Beweislast diejenige Partei, die sich darauf beruft (vgl. OLG Schleswig VersR 1986, 977)."
Dass sich der Bekl. zu 1) wie ein Idealfahrer verhalten hat, haben die Bekl. nicht bewiesen. Insb. haben sie keinen Beweis dafür erbracht, dass der Bekl. zu 1) rechtmäßig in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, denn nach dem Ergebnis des verkehrsanalytischen Sachverständigengutachtens ist offen geblieben, ob der Bekl. zu 1) die für ihn geltende Lichtzeichenanlage bei Rotlicht überfahren hat.
2) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das LG auf Seiten der Bekl. ein überwiegendes Verschulden angenommen hat.
a) Zwar kann dem Bekl. zu 1) nicht vorgeworfen werden, als Linksabbieger den Vorrang des Geradeausverkehrs nicht beachtet zu haben, denn die nach § 9 Abs. 3 S. 1 StVO für Linksabbieger geltende Regelung wird durch die Regelung in § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO verdrängt, wenn das Linksabbiegen durch einen grünen Abbiegepfeil als Bestandteil einer Lichtzeichenanlage geregelt ist (vgl. BGH NJW-RR 1997, 1111, 1112). Diese Voraussetzungen waren für den Bekl. zu 1) erfüllt, denn das Abbiegen war für seine Fahrtrichtung durch eine entsprechende Lichtzeichenanlage mit Abbiegepfeil geregelt.
b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insb. den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. S im Termin vor dem Senat am 30.5.2016 steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Bekl. zu 1) einen Gelblichtverstoß unter Missachtung der Regelung in § 37 Abs. 2 Nr. 1, S. 5 StVO begangen hat. Gelblicht ordnet an, das nächste Farbsignal der Lichtzeichenanlage abzuwarten. Ist das nächste Farbsignal – wie im Fall des Bekl. zu 1) – “Rot’, hat er anzuhalten, soweit ihm dies mit normaler Betriebsbremsung möglich ist; andernfalls darf er weiterfahren, muss aber den Kreuzungsbereich hinter der Lichtzeichenanlage möglichst zügig überqueren (vgl. BGH NJW 2005, 19740, 1941; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., StVO § 37 Rn 24 m.w.N.). Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. S, denen der Senat folgt, war es dem Bekl. zu 1) ohne Weiteres möglich, den von ihm gelenkten Sattelzug vor Beginn der Rotlichtphase mit normaler Betriebsbremsung vor der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage anzuhalten. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Lichtzeichenanlage für Linksabbieger ca. 0,5 Sekunden vor Erreichen der Haltelinie für den Verkehr aus Fahrtrichtung des Bekl. zu 1) von Grün auf Gelb umgesprungen sein muss. Das reichte unter Berücksichtigung der erforderlichen Reaktionszeit und der geringen gefahrenen Geschwindigkeit von 5 km/h aus, um den Sattelzug mit dem Führerhaus ca. 0,25 m hinter der für ihn geltenden Haltelinie, aber noch vor der Lichtzeichenanlage ohne Gefahrbremsung zum Stehen zu bringen.
Soweit die Bekl. meinen, der Bekl. zu 1) sei nur zum Anhalten verpflichtet gewesen, wenn es ihm gelungen wäre, bei normaler Betriebsbremsung vor der für die Lichtzeichenanlage geltenden Haltelinie zum Stehen zu kommen, kann dem nicht gefolgt werden. Gelb- und Rotlicht ordnen ein Anhalten spätestens vor dem Kreuzungsbereich an, in welchem sich die eigentliche Gefahr der Missachtung der Lichtzeichen verwirklicht (vgl. Hentschel/König, a.a.O.). Die Haltelinie ordnet an, dass vor ihr angehalten werden muss (vgl. Senat NZV 1992, 409). Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Verkehrsteilnehmer, der die Haltelinie ohne einen Verkehrsverstoß zu begehen überfahren hat, in jedem Fall an der Gelb- oder Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage vorbei in die Kreuzung fahren darf. Dies würde insb. im Falle von Nachzüglern, die in Verkehrsstauungen im Bereich hinter der Haltelinie, aber vor der für sie geltenden Lichtzeichenanlage anhalten müssen, zu einer nicht hinnehmbaren Gefahr für den Querverkehr führen, der durch die Regelung der Lichtzeichenanlage gerade geschützt werden soll. Deswegen ist demjenigen Verkehrsteilnehmer, der bei Umspringen der Lichtzeichen von Grün- auf Gelblicht mit normaler Betriebsbremsung vor der Lichtzeichenanlage anhalten kann zuzumuten, ggf. auch jenseits der Haltelinie auf das nächste Lichtzeichen zu warten, wenn er vorher nicht zum Stehen kommt. Diese Verpflichtung erscheint umso dringlicher, je größer und schwerfälliger das von ihm gelenkte Fahrzeug ist, denn wer aufgrund der Art und Beschaffenheit seines Fahrzeugs bei Gelblicht nur langsam in den Kreuzungsbereich einfahren kann, muss damit rechnen, dass er den Querverkehr...