Einführung
Wie bereits in dem Aufsatz "Erhöhung des Schmerzensgeldes bei inadäquater Schadensregulierung? Eine Rechtsprechungsübersicht" (zfs 2013, 670 ff.) dargelegt, berücksichtigt die Rechtsprechung eine nicht angemessene Schadensregulierung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes als zusätzliches Kriterium, welches konsequenterweise zu einer Erhöhung führen muss und auch führt.
In dem genannten Aufsatz hatte die Verfasserin die Rechtsprechung bis zum Jahre 2013 dargestellt. Bereits hier zeigte sich, dass die Gerichte inadäquates Regulierungsverhalten von Versicherern durch zum Teil deutliche Erhöhungen des Schmerzensgeldes sanktionierten.
Inzwischen wurde diese Rechtsprechung durch eine Reihe weiterer Entscheidungen fortgeführt, so dass man durchaus sagen kann, dass die Tendenz mehr und mehr in Richtung einer gefestigten Rechtsprechung geht.
Seit der damaligen Darstellung hat es eine Reihe weiterer relevanter Entscheidungen gegeben, die in diesem Beitrag vorgestellt werden.
I. LG Aachen, Urt. v. 30.11.2011 – 11 O 478/09
Für eine schwerste dauerhafte Gehirnschädigung infolge eines Behandlungsfehlers setzte das Gericht ein Schmerzensgeld von 700.000 EUR an. Es wertete explizit als schmerzensgelderhöhend das zögerliche Regulierungsverhalten der beklagten Krankenhausträgerin, bzw. des dahinter stehenden Haftpflichtversicherers. Die Beklagte hatte, selbst nachdem der Behandlungsfehler gutachterlich festgestellt war, die Ansprüche noch nicht einmal dem Grunde nach anerkannt und die materiellen Schäden nicht reguliert, obwohl es keine ernsthaften fachlichen Bedenken gegen das Gutachten gab. Das Gericht wörtlich:
"Schmerzensgelderhöhend hat die Kammer das in zeitlicher Hinsicht zögerliche und in inhaltlicher Sicht bedenkliche Regulierungsverhalten der Beklagten bzw. des hinter ihr stehenden Haftpflichtversicherers berücksichtigt. Obschon das im September 2009 vorliegende Gutachten der Gutachterkommission zu einem klaren Ergebnis gelangt ist und die Beklagte dies aufgrund ihrer Sachkunde sehr wohl selbst richtig einzuschätzen wissen musste, hat die Beklagte bzw. hat der hinter ihr stehende Haftpflichtversicherer dies nicht zum Anlass genommen, die seitens des Klägers zu Recht geltend gemachten Ansprüche auch dem Grunde nach anzuerkennen, oder, was auch sehr nahe lag, zumindest teilweise schon zu regulieren."
II. OLG Schleswig, Urt. v. 5.9.2012 – 7 U 15/12
Hier hat das Gericht aufgrund eines Bestreitens der Beklagten wider besseres Wissen einen prozentualen "Strafaufschlag" in Höhe von 500 EUR, bei 5.000 EUR Schmerzensgeld (also 10 %) ausgeurteilt.
Wörtlich führt der Senat aus:
"Erschwerend und schmerzensgelderhöhend berücksichtigt der Senat aber zusätzlich das nicht hinnehmbare Verhalten der Beklagten, die im ersten Rechtszug (angesichts des Dienstbucheintrags) wider besseres Wissen bestritten hat, dass das Fährpersonal um die "besondere Glätte bei Feuchtigkeit" wusste. Das rechtfertigt eine Erhöhung um jeden falls 500 EUR, so dass insgesamt ein Schmerzensgeld von 5.500 EUR als unter diesen Umständen der Billigkeit entsprechende Entschädigung zuzusprechen ist."
III. OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013 – 19 U 137/09
Das Gericht wertete das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten als schmerzensgelderhöhend, da ihr aufgrund diverser ärztlicher Berichte und Gutachten die erlittenen Verletzungen bekannt waren, jedoch erst 23 Jahre nach dem Unfallereignis eine Zahlung erfolgte.
Wörtlich führt der Senat aus:
"Des Weiteren hat das Landgericht auch zu Recht das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten als das Schmerzensgeld erhöhenden Umstand gewertet. Eine ungebührliche Verzögerung der Regulierung rechtfertigt eine Erhöhung des ermittelten Schmerzensgelds (OLG Nürnberg, NJW 2008, 809), wobei "ungebührliche Verzögerung" nur dann anzunehmen sein kann, wenn die unterbliebene Regulierung nicht auf – zulässiges – Verteidigungsvorbringen gestützt werden kann. Letzteres ist vorliegend allerdings nicht der Fall, so dass ein erheblicher Schmerzensgeldaufschlag gerechtfertigt ist. Denn streitig war lediglich, ob und in welchem Umfang der Kläger in Folge des Unfalls körperlich und damit auch in seiner Lebensplanung dauerhaft beeinträchtigt war. Fest stand aber, dass der Kläger bei dem Unfall erheblich verletzt worden war. Auf Grund der diversen der Beklagten vorliegenden ärztlichen Berichte, Atteste und Gutachten waren die vom Kläger erlittenen Verletzungen und die durchgeführten stationären und ambulanten Behandlungen auch dokumentiert. Diese daher nicht von der Hand zu weisenden Verletzungen machten schon für sich genommen die Zahlung eines nicht unerheblichen Schmerzensgelds erkennbar erforderlich. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um gerechtfertigtes Verteidigungsverhalten, wenn die Beklagte, die immerhin im Jahr 1986 ein Anerkenntnis zur Zahlung eines Schmerzensgeldes abgegeben hatte, erstmals 2005 und damit über 23 Jahre nach dem Unfallereignis und über 19 Jahre nach eben diesem Grundanerkenntnis eine Zahlung vorgenommen hat. Vor diesem Hintergrund ist das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 42.000 EUR gerechtfertigt."
IV. OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 10.7.2014 – 2 U 101/13
Mit diesem Urteil hat das...