"… Die Annahme des LG, der Kl. stehe aufgrund des Verkehrsunfallereignisses ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Bekl. i.H.v. 3.500 EUR gem. §§ 7, 18, 11 S. 2 StVG i.V.m. 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu, von dem die bereits geleisteten 400 EUR in Abzug zu bringen seien, ist aus berufungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Schmerzensgeld besteht nicht."

a) Das BG hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gem. § 513 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das BG sie zwar für vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das BG darf es demnach nicht dabei belassen, zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insb. ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinander gesetzt und sich um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (BGH, Urt. v. 28.3.2006 – VI ZR 46/05, NJW 2006, 1589, 1592 unter Tz. 30).

b) Die durch das LG vorgenommene Schmerzensgeldbemessung weist keine Rechtsfehler auf und ist auch im Übrigen überzeugend.

Ausgangspunkt für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind die auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme anzunehmenden Verletzungen der Kl. – namentlich ein Haarriss am siebten Halswirbelkörper, eine Knochenquetschung, eine Zerrung der Halswirbelsäule sowie eine Zerrung der Lendenwirbelsäule –, wobei insb. auch Ausmaß, Dauer und die konkreten Folgen für das Leben der Kl. zu berücksichtigen sind.

Dies hat das LG in nicht zu beanstandender und zudem überzeugender Weise getan.

aa) Zunächst hat das LG entgegen der Ansicht der Berufung die bei der Kl. bestehenden Vorschädigungen der Halswirbelsäule in zutreffender Weise bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt.

Insoweit trifft es nicht zu, das LG habe unberücksichtigt gelassen, dass die bei der Kl. bestehende Vorschädigung der Halswirbelsäule keinerlei Beschwerden verursacht habe und die Kl. deshalb auch nie in Behandlung gewesen sei. Vielmehr hat das LG explizit in seine Erwägungen einbezogen, dass die Schilderung der Kl., bis zum Unfallzeitpunkt nicht wegen der bestehenden Osteoporose in Behandlung gewesen zu sein, durch die eingereichten Unterlagen belegt werde, sie lediglich mit Blick auf die Beweglichkeit des Halses schon vor dem Unfall eingeschränkt gewesen sei und die Schmerzen unfallbedingt aufgetreten seien (vgl. S. 10 f. des Urteils).

Gerade weil die unfallbedingten Verletzungen als “Auslöser' im Sinne einer Mitursache gewirkt haben, müssen die Bekl. für die Folgen der ausgelösten Beschwerden aufkommen (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1999 – VI ZR 374/97, NJW-RR 1999, 819).

Die Höhe des Schmerzensgeldes ist jedoch im Wege der Billigkeit festzusetzen, wobei angesichts der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes auch Umstände zu beachten sind, die ohne Einfluss auf die Unfallfolgen sind. Sowohl für die Ausgleichs- als auch in besonderem Maße für die Genugtuungsfunktion ist der Grad der Verursachung, mit welchem die schädigende Handlung zu den Leiden des Verletzten beigetragen hat, von Bedeutung. Dementsprechend ist es nicht rechtsfehlerhaft, sondern kann im Einzelfall, wenn Gesundheitsbeeinträchtigungen Auswirkungen einer Schadensanfälligkeit sind, sogar geboten sein, in die Billigkeitsentscheidung miteinzubeziehen, inwieweit die körperlichen Beschwerden des Verletzten einerseits durch den Unfall und andererseits durch die vorher vorhandene krankhafte Anlage verursacht wurden (so schon BGH, Urt. v. 16.11.1961 – III ZR 189/60, NJW 1962, 243; Urt. v. 5.11.1996 – VI ZR 275/95, NJW 1997, 455).

Vorliegend steht aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen T, die durch die Parteien auch nicht angegriffen werden und denen sich der Senat nach eigener Sachprüfung anschließt, fest, dass zum Unfallzeitpunkt im Bereich der Halswirbelsäule der Kl. eine erhebliche Entkalkung der Wirbelkörper vorlag, welche den Knochen “weich' gemacht hat. Dies hat im Zusammenspiel mit der zudem bestehenden mangelnden Elastizität aufgrund einer langstreckigen knöchernen Versteifung der Halswirbelsäule dazu geführt, dass auch bei niedrigen Kollisionsgeschwindigkeiten ein Bruch wie der durch die Kl. erlittene entstehen konnte. Dass die Kl. bei dem Unfall eine Zerrung davongetragen hat, liegt nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen ebenfalls an der individuellen Besonderheit der Kl., namentlich daran, dass die mittlere und untere Halswirbelsäule aufgrund der Knochen überbrückenden Spangen und fast fehlenden Zwischenwirbelräume biomechanisch starr ist. Im Ergebnis sind sowohl der Haarriss als auch die Zerrung der Halswirbelsäule trotz der niedrigen Insassenbelastung aufgrund der sehr ausgeprägten verletzungsfördernden medizinischen Konstitution der Kl....

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