"… [37] 1. Die landgerichtliche Entscheidung bejaht im Ergebnis – ohne dies so ausdrücklich zu benennen – aufgrund eines erhöhten NOx-Ausstoßes im tatsächlichen Betrieb auf der Straße das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung – wie in den Fällen des VW-Motors EA 189 –, und zwar mit der Begründung, dass der klägerische Sachvortrag hierzu nicht als bestritten angesehen werden könne. Dies ist bereits deshalb fehlerhaft, weil das LG im Falle eines seiner Ansicht nach nicht ausreichenden Bestreitens einen entsprechenden Hinweis an die Beklagtenseite hätte erteilen müssen. Ein solcher Hinweis ist unerlässlich, wenn Tatsachenvortrag unvollständig oder unklar ist (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Auflage, § 139, Rn 3). Im Zweifelsfall muss das Gericht zudem aufklären, ob nicht bestritten wird (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Auflage, § 139, Rn 10). Mangels eines solchen Hinweises bzw. der unterlassenen Aufklärung stellt sich das Urteil als unzulässige Überraschungsentscheidung dar, die rechtliches Gehör verletzt."
[38] Es kommt hinzu, dass auch die Auffassung des LG, der Vortrag der Klägerseite sei als unstreitig anzusehen, nicht zutrifft. Denn nach § 138 Abs. 3 ZPO sind nur solche nicht ausdrücklichen bestrittenen Tatsachen als zugestanden anzusehen, bei denen sich die Absicht, sie bestreiten zu wollen, nicht aus den übrigen Erklärungen der Partei ergibt. Hier ergibt sich jedoch aus den Erklärungen der Beklagtenseite klar, dass gerade nicht unstreitig ist, dass der Motor die Prüfungssituation erkennt und entsprechend mit erhöhter Abgasrückführung reagiert. Denn es wird vorgetragen, dass sich das Emissionsverhalten bei gleichen Bedingungen auf der Straße wie auf dem Prüfstand verhält. Daraus ergibt sich bei verständiger Würdigung, dass das Vorliegen einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung, die zwischen Prüfstand und Straßenbetrieb unterscheidet, bestritten werden soll. Damit hätte über diese Frage, wenn sie entscheidungserheblich gewesen wäre, durch ein Sachverständigengutachten Beweis erhoben werden müssen.
[39] Die landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen tragen somit die Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht, da Streitiges als unstreitig behandelt wird. Zudem sind sie widersprüchlich, weil im Gegensatz zum Tatbestand in den Entscheidungsgründen nur noch darauf abgestellt wird, dass durch den Motor unter den Bedingungen im alltäglichen Gebrauch auf der Straße ein erhöhter NOx-Ausstoß zu verzeichnen sei. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, da es unterschiedliche Ursachen haben kann.
[40] 2. Da somit die landgerichtlichen Feststellungen die Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht tragen, war erneut zu prüfen, ob für den streitgegenständlichen Motor mit dem "Thermofenster" tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung bejaht werden kann. In der Rechtsprechung ist dies streitig. Anders als bei dem VW-Motor EA 189, für den der BGH in der Entscheidung vom 8.1.2019 (Az.: VIII ZR 225/17) das Vorliegen einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung bejaht hat, fehlt hierzu bisher Rechtsprechung des BGH.
[41] Mit der Frage des "Thermofensters" beschäftigt sich etwa eine Entscheidung des LG Düsseldorf vom 31.7.2019 (Az.: 7 O 166/18, juris). Nach der Auffassung des LG Düsseldorf stellt dieses eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO 715/2007 EG dar. Auch das Abgasrückführungssystem sei bei verständiger und sachgerechter Auslegung, orientiert an den Zielen der VO 715/2007 EG, als Bestandteil des Emissionskontrollsystems anzusehen. Unstreitig werde die Funktion des Emissionskontrollsystems in Abhängigkeit von bestimmten Außentemperaturen verändert, sodass ein installiertes Thermofenster eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007 EG darstelle (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 31.7.2019, Az.: 7 O 166/18, juris Rn 33, auch unter Bezug auf ein Urteil des LG Stuttgart vom 17.1.2019, Az.: 23 0 172/18, BeckRS 2019, 271 ff.). Das LG Düsseldorf führt weiter aus, dem stehe nicht entgegen, dass das Kraftfahrtbundesamt dieses Thermofenster mit der Freigabe des Softwareupdates nicht als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft habe, da dies eine Rechtsfrage darstelle, die von den Gerichten zu prüfen und zu beantworten sei. Eine Abschalteinrichtung könne nach Auffassung des Gerichts aber nur dann als zulässig in Betracht kommen, wenn keine andere technische Lösung denkbar sei, sei sie auch noch so teuer. Darüber hinaus sei für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 der VO 715/2007 EG bereits dann kein Raum, wenn ein Bauteil so konstruiert sei, dass zum Schutz des Motors bei den in hiesigen Breitengraden an mehr als sechs Monaten regelmäßig vorherrschenden Temperaturen und somit regelmäßig bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise vorlägen, eine Abschalteinrichtung eingreifen müsse. Denn eine solche Ausweitung de...