VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10 Art. 5 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen gem. Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Frage 1:
Ist Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typengenehmigung von Kfz hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge dahingehend auszulegen und anzuwenden, dass eine Notwendigkeit für den Einsatz von Abschalteinrichtungen i.S.d. Norm nur dann zu bejahen ist, wenn auch unter Einsatz der im Zeitpunkt der Erlangung der Typengenehmigung für das jeweilige Fahrzeugmodell verfügbaren Spitzentechnologie der Schutz des Motors vor Beschädigung oder Unfall und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht zu gewährleisten war?
Frage 2 für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
Sind aus sonstigen Gründen – etwa in Gestalt fehlender Langzeiterfahrungen, unverhältnismäßig hoher Kosten der Spitzentechnologie im Verhältnis zu anderen Technologien mit erheblichen Auswirkungen auf den Verkaufspreis – Abweichungen von der grundsätzlichen Einsatzpflicht der im Zeitpunkt der Typenzulassung verfügbaren Spitzentechnologie zulässig?
Frage 2 für den Fall, dass Frage 1 verneint wird:
Liegt auch bei Einsatz grds. zulässiger technologischer Komponenten eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt des sog. Thermofensters vor, wenn die in der Motorsteuerung diesbezüglich hinterlegten Parameter so gewählt sind, dass die Abgasreinigung
a) aufgrund der gewählten Temperaturen wegen der gewöhnlich zu erwartenden Temperaturen während eines Großteils des Jahres
b) aufgrund sonstiger Parameter – etwa in Gestalt der aktuellen Höhe des Fahrzeuges über dem Niveau des Meeresspiegels – in relevanten Regionen Deutschlands bzw. des europäischen Binnenmarktes
nicht oder nur eingeschränkt aktiviert wird.
LG Frankenthal, Vorlagebeschl. v. 2.9.2019 – 2 O 13/19
1 Aus den Gründen:
"[1] Die Entscheidung beruht auf Art. 267 AEUV."
[2] A. Gegenstand des Ausgangsverfahrens
[3] Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche wegen des Erwerbs eines Kfz. Die Klagepartei erwarb am 20.10.2015 zu einem Bruttokaufpreis von 46.220 EUR für ihren Gewerbebetrieb von der Bekl. ein gebrauchtes Fahrzeug Mercedes Benz C 220 BlueTEC T-Modell mit einer Laufleistung von 10.205 km und einer Erstzulassung am 24.7.2015, welches nach Angabe der Bekl. die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Schadstoffklasse "Euro 6" für Dieselfahrzeuge erfüllt. Ob das Fahrzeug tatsächlich die Anforderungen für diese Eingruppierung erfüllt, steht zwischen den Parteien im Streit. Die Bekl. ist einem Rückabwicklungsansinnen der Klagepartei, welches diese mit anwaltlichen Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten unter Fristsetzung auf den 14.2.2019 an sie gerichtet hatte, nicht nachgekommen.
[4] Das Kraftfahrtbundesamt hat bislang für das streitbefangene Fahrzeug und Fahrzeuge gleichen Typs keinen amtlichen Rückruf angeordnet.
[5] Der Kl. begehrt die Rückabwicklung des Kaufvertrages auf deliktsrechtlicher Grundlage in Gestalt der Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges an die Bekl. und ist der Auffassung, dass eine im Fahrzeug befindliche Steuerungssoftware, die unter anderem temperaturabhängig in die Abgasreinigung und deren Wirksamkeit eingreife, eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstelle.
[6] B. Rechtlicher Rahmen
[7] Die Klagepartei begehrt auf der Grundlage der §§ 826, 249 Abs. 1 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrages auf deliktsrechtlicher Grundlage.
[8] § 826 BGB lautet:
[9] Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
[10] § 249 Abs. 1 BGB lautet:
[11] Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
[12] Ein Schaden i.S.d. § 826 BGB ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des BGH nicht nur dann zu bejahen, wenn sich die Vermögenslage der Klagepartei durch das schädigende Verhalten verschlechtert hat. Vielmehr liegt ein ausreichender Schaden im Rahmen einer Haftung nach § 826 BGB schon dann vor, wenn zwar Leistung und Gegenleistung objektiv gleichwertig sind, der Geschädigte aber durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte (BGHZ 161, 361, 367 m.w.N.) und dessen Leistung für den Geschädigten nicht voll brauchbar ist (BGHZ 161, 361, 367; BGH VersR 1998, 905, 907).
[13] Ob ein Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich grds. nach der sog. Differenzhypothese, also nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte (vgl. BGHZ (GSZ) 98, 212, 217; BGH VersR...