Die Rechtsprechung stellt erhebliche Anforderungen an die Beratungspflicht des tätigen Rechtsanwalts. Zu den entscheidenden Weichenstellungen in einer Personenschadenangelegenheit gehört die Frage, ob die Angelegenheit durch Vergleich beendet werden soll oder nicht. Hier muss der Mandant in die Lage versetzt werden, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung zu treffend. Insoweit judiziert der Bundesgerichtshof:
"Um eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung über den Abschluss eines Vergleichs treffen zu können, muss der Mandant insbesondere um die Vor- und Nachteile einer (vorzeitigen) Beendigung seiner Rechtsangelegenheit durch Vergleich wissen. Eine Beendigung der Angelegenheit durch Vergleich kann für den Mandanten derart nachteilig sein, dass der Rechtsanwalt vom Vergleichsabschluss abzuraten hat. Muss der Anwalt abraten, hat das Auswirkungen auf die haftungsausfüllende Kausalität. Der Beweis des ersten Anscheins spricht dann dafür, dass der Mandant den Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsabschluss abzusehen, gefolgt wäre."
An späterer Stelle heißt es wie folgt:
"Die Kenntnis der Vor- und Nachteile eines Vergleichs ist Grundvoraussetzung für eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung des Mandanten. Der hierzu notwendige Beratungsaufwand wächst mit der Komplexität des vorgesehenen Vergleichs und dessen (Abfindungs-)Folgen; das geschuldete Beratungsergebnis bleibt aber immer das Gleiche. Der Mandant muss in die Lage versetzt werden, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung zu treffen."
Im Folgenden führt der BGH aus:
"Da der umfassend und vorinformierte und deshalb nicht beratungsbedürftige Mandant in der Rechtswirklichkeit die Ausnahme bildet, hat der Rechtsanwalt grundsätzlich von der Beratungsbedürftigkeit auszugehen. Dies gilt selbst gegenüber rechtlich vorgebildeten und wirtschaftlich erfahrenen Mandanten […] Der anwaltlich vertretene Mandant hat Anspruch darauf, dass er die erforderliche Beratung erhält. Er muss die Beratung nicht durch eigene Überlegungen ersetzen und erst recht keinen weiteren Berater hinzuziehen. Die Beratungsbedürftigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil der Mandant von sich aus in der Lage wäre, die notwendigen Schlüsse zu ziehen […] Der Rechtsanwalt darf deshalb nur dann von einer (weiteren) Beratung des Mandanten absehen, wenn dieser über die erforderlichen Informationen bereits verfügt. Das hat Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast. Behauptet der Rechtsanwalt im Regressprozess, der Mandant sei umfassend informiert und deshalb nicht beratungsbedürftig gewesen, trifft ihn insoweit die Beweislast."
Aufgrund dieser strengen Rechtsprechung des Haftungssenats dürfte sich beim Entgeltschaden – von Ausnahmen abgesehen – eine Abfindung grundsätzlich verbieten. Bei allen anderen Abfindungen wird der Anwalt gut beraten sein, den Mandanten schriftlich unter Rechenbeispielen im Hinblick auf das Für und Wider eines Vergleichs zu beraten. Wenn – wie nicht selten – Mandanten insbesondere "schnelles Geld" erhalten möchten, so kann dies einen ansonsten nachteiligen Vergleich durchaus rechtfertigen, wenn dies dem Mandanten nur deutlich gemacht worden ist.
Im gerichtlichen Verfahren ist der Richter nach § 278 Abs. 1 ZPO gehalten, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken. Nicht selten werden im Gütetermin gerichtliche Vergleichsvorschläge unterbreitet. Hier wird dann sehr häufig dem im Termin anwesenden Geschädigten und seinem Rechtsanwalt eine fixe Entscheidung abverlangt, während der Versicherer bzw. die für ihn tätigen Anwälte noch keine bindende Erklärung abgeben. Von einer solchen Vorgehensweise kann nur abgeraten werden. Wie will der für den Geschädigten tätige Rechtsanwalt in einem späteren möglichen Haftpflichtregress dartun, dass er den Mandanten im Hinblick auf jede Verästelung ordnungsgemäß beraten hat? Häufig erfolgt dann noch eine zeitliche Unterbrechung des Verhandlungstermins mit der Folge, dass sich später einem Verhandlungsprotokoll entnehmen lässt, dass die Verhandlung für beispielsweise 10 Minuten unterbrochen war. Im späteren Haftpflichtprozess wird dann völlig zu Recht die Frage aufgeworfen, ob der Mandant in jeder Hinsicht ausreichend aufgeklärt wurde. Unabhängig davon, dass es keine schriftliche Dokumentation über die erforderliche Aufklärung gibt, wird der Mandant einwenden, er sei "überrumpelt" worden. Er habe das Für und Wider eines solchen Vergleichsabschlusses in der Kürze der Zeit nicht erfassen können. Von daher kann – auch wenn es dem Gericht nicht gefällt – allenfalls dazu angeraten werden, einen solchen Vergleich – wenn denn überhaupt – unter Widerrufsvorbehalt zu schließen. Die Widerrufsfrist kann dann für eine umfangreiche Belehrung des geschädigten Mandanten genutzt und eine entsprechende Belehrung dokumentiert werden. Alternativ hierzu kann – was im Übrigen Versicherer bevorzugen – der gerichtliche Vorschlag zur Kenntnis genommen we...