[…] II. Die Entscheidung beruht auf § 70 Abs. 1 OWiG. Danach hat das Gericht (in jeder Lage des Verfahrens) den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, wenn die Vorschriften über die Einlegung des Einspruchs nicht beachtet sind. Ungeachtet der Vorentscheidung Verwaltungsbehörde oder gar einer gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit des Einspruchs hat das mit der Sache befasste Gericht eine eigene Entscheidung über dieselbe Verfahrensvoraussetzung zu treffen. Eine anderslautende Vorentscheidung bindet die spätere Entscheidung gerade nicht (KK-OWiG/Ellbogen, § 70 Rn 2 f.).
Der Einspruch der Betroffenen ist unzulässig, weil er nicht fristgerecht eingelegt wurde und Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist nicht zu gewähren ist.
1. Wie auch die Verwaltungsbehörde zutreffenderweise festgestellt hat, wurde der Einspruch der Betroffenen verspätet eingelegt. Der Bußgeldbescheid des Landkreises […] vom 29.3.2022 wurde der Betroffenen am 31.3.2022 zugestellt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist (§ 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG) lief somit zum 14.4.2022 ab, sodass die Einspruchseinlegung am 19.4.2022 verspätet erfolgte.
2. Die Verwaltungsbehörde hat der Betroffenen jedoch zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, da der (wohl) zulässige Wiedereinsetzungsantrag der Betroffenen jedenfalls unbegründet ist.
Gemäß § 52 Abs. 2 OWiG i.V.m. §§ 44 ff. StPO kann ein Betroffener innerhalb einer Woche ab Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung beantragen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ihm auf Antrag hin zu gewähren, wenn er ohne Verschulden daran verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind dabei mit der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag alle Tatsachen zur Begründung des Antrages zu benennen und glaubhaft zu machen. Eigenes Verschulden an der Fristversäumung schließt die Wiedereinsetzung aus. Maßgebend ist die dem Antragsteller mögliche und zumutbare Sorgfalt (Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 65. Aufl., 2022, § 44 Rn 11).
Die Betroffene hat entgegen § 45 Abs. 2 StPO keinen Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht, aus dem sich ihr fehlendes Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) an der Versäumung der Frist ergibt (vgl. zu diesem Darlegungserfordernis BGH, Beschl. v. 27.6.2017 – 2 StR 129/17, NStZ-RR 2017, 285). Vielmehr trifft die Betroffene schon nach ihrem Vorbringen eigene Schuld daran, dass sie den Einspruch nicht fristgemäß eingelegt hat. Denn die Einspruchsfrist lief – wie der Betroffenen infolge der Zustellung am 31.3.2022 bekannt war – am 14.4.2022 ab.
Zwar darf eine Rechtsmittelfrist grundsätzlich bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden. Allerdings hat der Rechtsmittelführer dabei den zeitlichen und organisatorischen Aufwand in Rechnung zu stellen, dessen es bedarf, damit die Rechtsmittelerklärung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form innerhalb der Frist gegenüber der zuständigen Stelle abgegeben wird (BGH, Beschl. v. 14.7.2021 – 3 StR 185/21, NStZ-RR 2021, 344).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist ein fehlendes Verschulden der Betroffenen an der Versäumung der Frist weder in ausreichender Form vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Ausweislich der Aufnahmebescheinigung des Universitätsklinikums Leipzig ist "lediglich" anzunehmen, dass sich die Betroffene seit dem 4.4.2022 um 10:21 Uhr dort in stationärer Behandlung befand. Wie lange diese stationäre Behandlung gedauert hat und ob es sich hierbei um einen geplanten Krankenhausaufenthalt oder einen Notfall gehandelt hat, wird daraus nicht ersichtlich. Trotz Aufforderung des Gerichts zur näheren Darlegung bzw. Glaubhaftmachung hierzu, ist die Betroffene nicht tätig geworden. Diese Untätigkeit versetzt das Gericht nicht in die Lage, den die Wiedereinsetzung vermeintlich begründenden Sachverhalt erschöpfend prüfen zu können. Hätte es sich bei der am 4.4.2022 begonnenen stationären Behandlung um einen geplanten Krankenhausaufenthalt gehandelt – und von etwas anderem ist mangels gegenteiligen Vortrags und Glaubhaftmachung nicht auszugehen – wäre es der Betroffenen möglich und ihr unter Berücksichtigung der ihr obliegenden Sorgfaltspflichten zumutbar gewesen, entweder den Einspruch vor Beginn des Krankenhausaufenthaltes einzulegen oder die entsprechenden Unterlagen ins Krankenhaus mitzunehmen, um von dort aus rechtzeitig Einspruch einlegen zu können.
Unabhängig davon kommt hinzu, dass die Betroffene ausweislich des Datums ihres Einspruchsschreibens spätestens am 13.4.2022 tätig geworden sein muss. Angesichts der am 14.4.2022 auslaufenden Einspruchsfrist einerseits und einer in Rechnung zu stellenden regelmäßigen Postumlaufzeit von bis zu drei Tagen andererseits hätte sie nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihr in den Briefkasten eingeworfenes Einspruchsschreiben die Verwaltungsbehörde rechtzeitig erreicht. Ihr wäre es durchaus zuzumuten gewesen, andere Möglichkeiten zum rechtzeitigen Eingang ihres fristgebundenen Rechtsbehelfs zu ergreifen, etwa durch Einscannen/Fotografieren eines von ihr un...