StVG § 3 Abs. 1; FeV § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; § 14 Abs. 1 S. 3; Anlage 4 zur FeV Nr. 9.2.2
Leitsatz
Ob die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bei einem gelegentlichen Cannabis-Konsumenten bereits ohne Weiteres gerechtfertigt ist, wenn er mit einer THC-Konzentration unter 1,0 ng/ml THC ein Fahrzeug geführt hat, bleibt offen (a.A. BayVGH). Sie kann jedenfalls dann angeordnet werden, wenn zusätzliche tatsächliche Anhaltspunkte für eine Drogenbeeinflussung vorliegen.
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.10.2014 – 10 S 1586/14
1 Aus den Gründen:
"Die Beschwerde des ASt. ist gem. §§ 146, 147 VwGO zulässig, aber nicht begründet."
Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der VGH nach § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2. VwGO vorzunehmende Abwägung zugunsten des Interesses des ASt. ausfällt, vom Vollzug der Entziehungsverfügung des AG v. 7.5.2014 bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Auch im Hinblick auf das Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung auszugehen. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der ASt. zum Führen von Kfz nicht geeignet ist. Deshalb ist ernstlich zu befürchten, dass er bereits vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden wird. Damit überwiegt aber das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung.
Wie bereits das VG ausführlich mit zutreffender Begründung dargelegt hat, war die Fahrerlaubnisbehörde zur Abklärung von Eignungszweifeln zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung berechtigt und durfte aufgrund der unterbliebenen Vorlage des Gutachtens auf die Nichteignung des ASt. zum Führen von Kfz schließen. Gem. § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 FeV muss die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich zum Führen von Kfz als ungeeignet erweist, die Fahrerlaubnis zwingend entziehen. Ungeeignet ist insb., wessen Eignung wegen eines Mangels nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 S. 2 FeV).
Ermächtigt § 46 Abs. 1 FeV zur Entziehung der Fahrerlaubnis somit erst, wenn die fehlende Eignung zum Führen von Kfz erwiesen ist, enthält § 46 Abs. 3 FeV im Vorfeld dieser Entscheidung und mit einer niedrigeren Eingriffsschwelle die Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur weiteren Aufklärung des Bestehens dieser Eignung. Nach § 46 Abs. 3 FeV finden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kfz ungeeignet oder bedingt geeignet ist, die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Beruht die Entziehung einer Fahrerlaubnis auf der Nichtbeibringung eines von der Fahrerlaubnisbehörde geforderten Gutachtens (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV), so hängt die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung von der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung ab. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheidend, ob die Umstände, die der Behörde Anlass für die Aufforderung gegeben haben, einen Fahreignungsmangel des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 – 3 C 25.04, NJW 2005, 3081; Senatsurteil v. 23.2.2010 – 10 S 221/09, zfs 2010, 356 – jeweils m.w.N.). Mit seinen diesbezüglichen, gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung gerichteten Rügen dringt der ASt. nicht durch.
Wie das VG zutreffend ausgeführt hat, findet die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens v. 11.2.2014 ihre Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 1 S. 3 FeV. Danach kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Zu Recht hat das VG angenommen, dass bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Sachverhaltsprüfung nicht nur von jedenfalls gelegentlichem Cannabiskonsum des ASt. auszugehen ist (dazu 1.), sondern entgegen dem Beschwerdevorbringen auch weitere Tatsachen Eignungszweifel begründen (dazu 2.).
1. Dass der ASt. gelegentlich Cannabis konsumiert, steht nach Aktenlage fest. Gelegentlicher Konsum liegt nach der st. Rspr. des Senats bereits dann vor, wenn der Betroffene mehr als einmal Cannabis konsumiert hat, wenn es mithin zumindest zu zwei unabhängigen Konsumvorgängen gekommen ist (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 29.9.2003 – 10 S 1294/03, [zfs 2004, 43 =] VBlBW 2004, 32; Senatsurt. v. 22.11.2012 – 10 S 3174/11, [zfs 2013, 240 =] VBlBW 2013, 391). Dies stellt der ASt. selbst nicht in Frage, sondern räumt gelegentlichen Cannabiskonsum ein, so etwa für den 24.12. und den 27.12.2013, also auch im nahen zeitlichen Vorfeld der Polizeikontrolle v...