" … 1. a) Der Kl. hat gegen den Bekl. zu 1) keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 StVG vor, da der Kl. bei dem Betrieb des vom Bekl. zu 1) gefahrenen Lkw verletzt worden ist. Zudem liegen die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB vor, da der Bekl. zu 1) durch das Rückwärtsfahren den Körper des Kl. fahrlässig (§ 9 Abs. 5 StVO) verletzt hat. Aber die Haftung des Bekl. zu 1) ist – hinsichtlich aller Anspruchsgrundlagen (vgl. BGH r+s 2008, 261 = MDR 2008, 384) – nach den §§ 105 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen."
aa) Die §§ 105 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 SGB VII sind anwendbar, da sowohl der Kl. als auch der Bekl. zu 1) kraft Gesetzes unfallversichert sind. Der Kl. ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) SGB VII unfallversichert, da er Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens ist, und für sein Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist, was sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 1.8.2014 ersehen lässt. Der Bekl. zu 1) ist als Beschäftigter der Firma X unfallversichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
bb) Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem versicherten Weg herbeigeführt haben. Vorsatz oder ein Wegeunfall liegen hier nicht vor. Zwar sind der Kl. und der Bekl. zu 1) nicht Versicherte desselben Betriebs. Aber nach § 106 Abs. 3 SGB VII gilt, wenn Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten, § 105 SGB VII auch für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kl. und der Bekl. zu 1) haben vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet.
Als betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte werden Aktivitäten erfasst, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Gemeint ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken (BGH r+s 2001, 26 = NJW 2001, 443). Eine “gemeinsame’ Betriebsstätte setzt mehr voraus als “dieselbe’ Betriebsstätte (BGH r+s 2001, 149 = NJW-RR 2001, 741). Bei einem Unfall zwischen einem Geschädigten, der von einem Lkw Ware entladen will, und einem Schädiger, der mit einem anderen Lkw zum Anliefern von anderen Waren kommt, oder bei einem Unfall zwischen einem Geschädigten, der als Käufer Ware abholen will, und einem Schädiger, der die Ware aus dem Lager holen und im Bereich der Ladezone ungefähr zwei Meter vom Transporter des Geschädigten entfernt bereitstellen will, liegt nur dieselbe Betriebsstätte vor (vgl. BGH r+s 2001, 149 = NJW-RR 2001, 741; BGH r+s 2011, 314 = NJW 2011, 3298). Hingegen ist eine gemeinsame Betriebsstätte bei einem Unfall zwischen einem Geschädigten, der seinen Lkw beladen lässt, und einem Schädiger, der mit seinem Gabelstapler den Lkw belädt, oder bei einem Unfall zwischen einem Geschädigten, der beim Abladen eines Lkw hilft, und dem Lkw-Fahrer als Schädiger gegeben (vgl. BGH r+s 2008, 488 = NJW 2008, 2916; Thüringer OLG r+s 2013, 150).
Insgesamt handelt es sich nach der hier verrichteten Tätigkeit des Abladens der Schweine vom Lkw in den Stall nicht nur um dieselbe Betriebsstätte, sondern um eine “gemeinsame’ i.S.d. § 106 Abs. 3 SGB VII. Denn dieser Arbeitsvorgang konnte nur durch ein erfolgreiches Ineinandergreifen mehrerer Arbeitsschritte von beiden Seiten funktionieren. Die Tätigkeiten des Kl. und des Bekl. zu 1) haben sich nicht nur beziehungslos nebeneinander vollzogen, sondern waren bewusst aufeinander abgestimmt und sollten ineinandergreifen. Der Kl. und der Bekl. zu 1) konnten sich “in die Quere kommen’. Der Bekl. zu 1) musste den Lkw rückwärts an den Schweinestall des Kl. heranfahren. Der Bekl. zu 1) musste auch die Ladeklappe herunterlassen. Der Kl. musste die Stalltür von innen öffnen. Anders war der Weg für die abzuladenden Schweine nicht gewährleistet. Die Tätigkeit des Einen war ohne die Tätigkeit des Anderen nicht vorstellbar. Es wäre sinnlos gewesen, wenn der Bekl. zu 1) den Lkw vor die geschlossene Stalltür gefahren hätte. Genauso sinnlos wäre gewesen, wenn der Kl. die Stalltür geöffnet hätte, ohne dass der Bekl. zu 1) den Lkw herangefahren hätte. Es liegt also gerade ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken vor, durch das die Schweine vom Lkw in den Stall gelangen sollten.
Auch der versicherte Unternehmer selbst, also der Kl., muss sich, wenn er sich in einer solchen Situation in der Geschädigtenrolle befindet, er also durch den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt wird, die ...