Der erstattungspflichtige Gegner kann sich gem. § 15a Abs. 2 RVG nur dann auf eine Gebührenanrechnung berufen, wenn überhaupt eine solche teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, § 15a Abs. 1 RVG vorzunehmen ist. Dies hat der BGH hier m.E. zu Unrecht bejaht.

Eine – teilweise – Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr erfolgt nur dann, wenn – was hier gegeben war – sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich derselbe Anwalt tätig gewesen ist, so BGH RVGreport 2010, 109 (Hansens) = zfs 2010, 220 mit Anm. Hansens = AGS 2010, 52. Waren demgegenüber vorgerichtlich und dann im Rechtsstreit verschiedene Anwälte tätig, scheidet eine Anrechnung aus. Dies hat seinen Grund darin, dass der erstmals im gerichtlichen Verfahren tätige Anwalt eine der Anrechnung unterliegende Geschäftsgebühr gar nicht verdient hat. Eine Anrechnung zwischen verschiedenen Anwälten kommt somit nicht in Betracht. Der Anwaltswechsel nach Beendigung der außergerichtlichen Tätigkeit ist auch erstattungsrechtlich beachtlich. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO ist in einem solchen Fall nicht anwendbar, weil sie sich lediglich auf den Anwaltswechsel innerhalb des gerichtlichen Verfahrens bezieht, so BGH a.a.O.; Hansens RVGreport 2007, 241, 242; RVGreport 2008, 321, 325.

Eine teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG kommt ferner nach verbreiteter Auffassung dann nicht in Betracht, wenn der Anwalt im Auftrag desselben Mandanten die Forderung außergerichtlich gegen einen von mehreren Schuldnern geltend macht und sie dann gegen einen anderen Schuldner einklagt. Standardfall hierfür ist die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall allein gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, während im Rechtsstreit nur der Fahrer/Halter des gegnerischen Fahrzeugs in Anspruch genommen wird. In einem solchen Fall ist der für die Gebührenanrechnung erforderliche innere Zusammenhang zwischen außergerichtlicher Vertretung und Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nicht gegeben. Dies erfordert nämlich, dass sich die weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts jedenfalls teilweise gegen denselben Gegner richtet, so OLG München JurBüro 1989, 369 = AnwBl. 1990, 325; LG Bonn RVGreport 2004, 71 (Hansens); LG Frankfurt AnwBl. 1982, 318; LG Flensburg JurBüro 1986, 723; LG Frankenthal zfs 1996, 71; LG München DAR 1996, 161. Nach der Gegenauffassung ist eine Gebührenanrechnung gleichwohl vorzunehmen (OLG Karlsruhe AGS 1994, 43 mit abl. Anm. Chemnitz; LG Karlsruhe JurBüro 1994, 484; LG Mosbach zfs 2001, 32; Klimke AnwBl. 1975, 220). Für die Gebührenanrechnung selbst ist es unerheblich, ob der Auftraggeber aus Gründen der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB), also nach materiellem Recht, verpflichtet ist, auch den Kfz-Haftpflichtversicherer mit zu verklagen, um die Voraussetzungen für die Gebührenanrechnung zu erfüllen. Dies wäre nur im Rahmen des materiell-rechtlichen oder des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs zu berücksichtigen. Hier wurden die Ansprüche sowohl vorgerichtlich als auch in dem Rechtsstreit gegen denselben Gegner, die Bekl., geltend gemacht.

Die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr ist jedoch nur dann vorzunehmen, wenn der Anwalt außergerichtlich und sodann im gerichtlichen Verfahren für denselben Auftraggeber tätig gewesen ist. Das wäre hier nur dann der Fall gewesen, wenn die Zedentin den Anwalt beauftragt hätte, nach erfolgloser außergerichtlicher Tätigkeit den abgetretenen Anspruch nunmehr für die Zessionarin gerichtlich geltend zu machen. Ob dies hier so gewesen ist, ergibt sich aus den mitgeteilten Gründen der Entscheidung des BGH nicht.

Hatte demgegenüber der Rechtsanwalt den Auftrag für die außergerichtliche Tätigkeit vom Zedenten und den Prozessauftrag nach Abtretung der Forderung von der Zessionarin erhalten, kommt eine teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr m.E. nicht in Betracht. § 15a Abs. 1 RVG regelt die Anrechnung nämlich im Innenverhältnis zwischen dem Anwalt und dem Auftraggeber, siehe BT-Drucks 16/12717 S. 58. Bei getrennten Aufträgen für die außergerichtliche Vertretung einerseits und für das gerichtliche Verfahren andererseits besteht aber kein einheitliches Innenverhältnis zwischen dem Anwalt und den beiden Auftraggebern. Vielmehr hat der Anwalt in einem solchen Fall für die Tätigkeit in den beiden verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten zwei verschiedene Auftraggeber. Gegen den Zedenten steht dem Anwalt aufgrund des Vertretungsauftrags nur die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu. Eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG ist nicht vorzunehmen, weil der Zedent nicht auch die Verfahrensgebühr schuldet. Umgekehrt hat der Anwalt aufgrund des Prozessauftrags des Zessionars gegen diesen nur einen Anspruch auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG (auf weitere Gebühren nach Teil 3 VV RVG kommt es hier nicht an). Dieser Anspruch vermindert ...

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