[18] "… B. I. Das Urteil des VG hätte nicht ergehen dürfen, da eine Klage nicht rechtshängig geworden ist. Ein Urteil, das trotz fehlender Rechtshängigkeit der Streitsache ergeht, ist aufzuheben (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 2.3.2012 – 18 Sa 1176/11, juris, m.w.N.)."
[19] Eine Klage ist nicht wirksam erhoben worden. Der Kl. hat keine Klage erheben, sondern (zunächst) nur einen Antrag auf Bewilligung von PKH stellen wollen. Das folgt aus einer sachgerechten Auslegung seines Begehrens.
[20] Wird bei Gericht gleichzeitig mit einem PKH-Antrag ein Schriftsatz eingereicht, der – wie hier – allen an eine Klageschrift zu stellenden Anforderungen entspricht, sind grds. drei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Der Schriftsatz kann eine unabhängig von der PKH-Bewilligung erhobene Klage sein. Es kann sich – zum anderen – um eine unter der Bedingung der PKH-Gewährung erhobene und damit unzulässige Klage handeln. Schließlich kann der Schriftsatz lediglich einen der Begründung des PKH-Antrags dienenden Entwurf einer erst zukünftig zu erhebenden Klage darstellen. Welche dieser Konstellationen vorliegt, ist eine Frage der Auslegung der im jeweiligen Einzelfall zu beurteilenden Prozesshandlungen. Dabei kommt es nicht auf den inneren Willen der Beteiligten an. Maßgebend ist vielmehr der in der Erklärung verkörperte Wille unter Berücksichtigung der erkennbaren Umstände des Falls (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 22, m.w.N.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg VBlBW 1996, 339; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 82 Rn 8).
[21] Gemessen an diesen Grundsätzen ist das in dem am 3.5.2013 eingegangenen Schriftsatz formulierte Begehren nicht als Klage zu betrachten.
[22] Der Schriftsatz wird eingeleitet mit den Worten: “An das AG … Vollstreckungsabwehrklage … ’. Sodann folgen – jeweils textlich abgesetzt – die Nennung der Beteiligten, die Angabe des Streitwertes, die Anträge und eine Begründung. Dies entspricht dem Aufbau einer Klageschrift, der aber gleichermaßen bei reinen Entwürfen, die im Rahmen sogenannter isolierter PKH-Gesuche bei Gericht vorgelegt werden, Verwendung findet.
[23] Während die ersten Absätze des eingereichten Schriftsatzes somit keine Klarheit darüber verschaffen, ob es sich um eine Klageschrift oder lediglich den Entwurf einer solchen handelt, ergibt sich aus dem Gesamtwortlaut des Textes – unter Einbeziehung des Zusatzes “Bei nicht Bewilligung ist die Klage nicht durchzuführen.’ – hinreichend deutlich, dass der Kl. seine (bloß für später beabsichtigte) Klageerhebung von der Bewilligung von PKH abhängig machen wollte. Weder die falsche Schreibweise “nicht Bewilligung’ statt “Nichtbewilligung’ noch der Beginn des Absatzes mit den Worten “Weiter wird PKH-Antrag gestellt … ’ oder die Tatsache, dass die Klausel über die “Nichtdurchführung’ der Klage im Fall der Nichtbewilligung von PKH ohne Hervorhebung recht unscheinbar im Fließtext am Ende des Absatzes zu finden war, vermögen die Einsicht zu beseitigen, dass die (für später in Aussicht genommene) Klageerhebung unter den Vorbehalt der PKH-Bewilligung gestellt werden sollte. Hierbei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich beim Kl. um einen anwaltlich nicht vertretenen, erst kurz zuvor volljährig gewordenen Rechtslaien handelte. Von einem rechtsunkundigen Rechtsschutzsuchenden kann nicht erwartet werden, dass er juristische Fachbegriffe beherrscht und die prozessuale Bedeutung und Tragweite von Willensbekundungen genau erkennt (vgl. BVerwG NJW 1991, 508, 509; Sächs.OVG, Beschl. v. 11.4.2006 – 1 BS 321/05, juris). Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist zugunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.1990 a.a.O.; Sächs.OVG, Beschl. v. 11.4.2006, a.a.O.). Dem entsprach hier ein isolierter PKH-Antrag.
[24] Dafür spricht umso mehr, als dem Satz “Bei nicht Bewilligung ist die Klage nicht durchzuführen.’ keine andere den Interessen des Kl. gerecht werdende Bedeutung zukommen kann. Nur bei dem Verständnis, dass die spätere Klageerhebung unter den Vorbehalt der PKH-Bewilligung gestellt werden sollte, erfüllte der Satz für den Kl. einen Sinn, da er so das Risiko ausschließen konnte, Gerichtskosten und etwaige außergerichtliche Kosten der Gegenseite tragen zu müssen. Aus objektiver Empfängersicht erscheint es hingegen fernliegend, dass dem Kl. – etwa aus Zeitgründen – (vorerst) an einer Klage neben dem PKH-Antrag gelegen sein konnte. Denn dann hätte er nicht darauf hingewiesen, dass bei Nichtbewilligung die Klage nicht durchzuführen sei, sondern allenfalls in anderer Form eine spätere Klagerücknahme in Aussicht gestellt. Unabhängig von der Formulierung deutete aber auch sonst nichts auf ein mögliches derartiges Interesse hin.
[25] Ein PKH-Gesuch wird schließlich auch nicht dadurch zu einer wirksamen Klageschrift, dass es von einem VG so behandelt und als Klage beschiede...