VV RVG Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1; VV RVG Nr. 3100 2300; RVG § 15 a

Leitsatz

1. Eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG kommt nicht in Betracht, wenn im Verhältnis zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden ist, sondern die Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung getroffen hat.

2. Die erstattungspflichtige Gegenpartei kann sich gem. § 15a Abs. 2 RVG auch dann nicht auf die Anrechnung berufen, wenn sie die vorgerichtlichen Kosten in Kenntnis der Vergütungsvereinbarung anerkannt hat.

(Leitsätze der Schriftleitung)

OLG Hamburg, Beschl. v. 16.12.2014 – 8 W 131/14

Sachverhalt

Die Kl. hatte den Bekl. vor dem LG Hamburg auf Unterlassung von Äußerungen über sie im Internet und auf Feststellung seiner Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Außerdem hat sie den Antrag gestellt, den Bekl. zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 857 EUR zu verurteilen. Hierzu hat die Kl. in der Klagebegründung vorgetragen, aufgrund der zwischen ihr und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossenen Vergütungsvereinbarung schulde sie ihrem Anwalt für dessen vorgerichtliche Tätigkeit Anwaltskosten in nicht geringerer Höhe als die eingeklagten 857 EUR. Diese vereinbarten Anwaltskosten seien mindestens bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung erstattungsfähig, die die Kl. mit einer 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nach einem Gegenstandswert von 10.000 EUR i.H.v. 837 EUR und der Postentgeltpauschale i.H.v. 20 EUR errechnet hat.

Der Bekl. hat die Klageansprüche einschließlich der vorgerichtlichen Kosten anerkannt und ist durch Anerkenntnisurteil des LG Hamburg auch zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt worden. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Kl. u.a. die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG nach einem Gegenstandswert von 10.000 EUR i.H.v. 725,40 EUR angemeldet. Die Rechtspflegerin hat die Verfahrensgebühr um 0,75 einer gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG anrechenbaren Geschäftsgebühr gekürzt. Die gegen diese Anrechnung gerichtete sofortige Beschwerde der Kl. hatte beim OLG Hamburg Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … II. Die sofortige Beschwerde der Kl. ist zulässig und begründet."

Nach der Rspr. des BGH sind vorgerichtliche Kosten, die eine Partei ihrem Rechtsanwalt aufgrund einer Vergütungsvereinbarung schuldet, nicht gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG wie eine Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen; damit kann sich auch kein Dritter auf die Anrechnung gem. § 15a Abs. 2 RVG berufen (BGH RVGreport 2009, 433 (Hansens) = AGS 2009, 253; BGH RVGreport 2010, 32 (ders.).

Vorliegend hat die Kl. bereits in der Klage vorgetragen, dass zwischen ihr und ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung über die vorgerichtlichen Kosten getroffen worden sei. Entgegen der Auffassung des Bekl. kann die entsprechende Passage auf S. 7 Abs. 4 der Klage bei verständiger Auslegung nicht anders verstanden werden, als dass mit der “zwischen den Parteien getroffenen Vergütungsvereinbarung‘ nicht eine zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits getroffene Vereinbarung gemeint ist, sondern eine zwischen der Kl. und ihrem Prozessbevollmächtigten. Dies erschließt sich ohne Weiteres jedenfalls aus den nachfolgenden Sätzen, die sich mit der Erstattungsfähigkeit dieser Kosten im Verhältnis zum Bekl. beschäftigen.

Zutreffend hat auch die Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die Vergütungsvereinbarung das Verhältnis zwischen der Kl. und ihrem Prozessbevollmächtigten betreffe. Der Senat kann ihr jedoch nicht darin folgen, dass die Kl. in der Klage “konkret‘ eine Geschäftsgebühr gefordert habe. Aus den Ausführungen in der Klage ergibt sich vielmehr, dass die Kl. die ihr aufgrund der Vergütungsvereinbarung entstandenen Kosten nur der Höhe nach auf die gesetzliche Geschäftsgebühr nach Ziff. 2300 VV RVG begrenzen wollte, weil sie nicht mehr von dem Bekl. fordern könne. Die Kl. hat ihren Anspruch insoweit ersichtlich auf § 12 Abs. 1 S. 2 UWG gestützt, wonach nur die “erforderlichen Aufwendungen‘ für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung vom Gegner verlangt werden können.

Dass die Kl. mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung über dessen vorgerichtliche Tätigkeit zumindest in Höhe der geforderten 1,5 Geschäftsgebühr gem. Ziff. 2300 VV RVG getroffen hat, hat der Bekl. im Erkenntnisverfahren nicht bestritten. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren bestreitet er eine solche nicht, sondern hält an der – gem. obigen Ausführungen nicht zutreffenden – Auffassung fest, dass die Kl. das Bestehen einer solchen Vereinbarung nicht vorgetragen habe, sondern das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung mit dem Bekl. Da somit das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung als unstreitig zu behandeln ist, bedarf es keiner zusätzlichen Glaubhaftmachung durch die Kl.

Durch die Nichtanrechnung der vorgerichtlichen Kosten aufgrund des Bestehens ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?