Bei der Entwendung versicherter Sachen – sei es ein Fahrzeug oder Hausrat bei einem Einbruchdiebstahl – hat der Versicherungsnehmer meist das Problem, dass sich der Tathergang im Nachhinein nicht vollständig aufklären lässt und in der Regel bei der Tat keine auskunftsfreudigen Zeugen zugegen sind. Dem Versicherungsnehmer obliegt aber der Beweis für die tatbestandlichen Voraussetzungen seines Anspruchs auf Versicherungsleistungen. Auch in der Kaskoversicherung trägt er die Beweislast dafür, dass ihm das versicherte Fahrzeug tatsächlich entwendet worden ist (§ 12 Abs. 1 AKB). Diese Risikozuweisung würde dazu führen, dass ihm der Beweis fast nie gelänge, denn die Entwendung erfolgt – wie gesagt – typischerweise unbeobachtet von Zeugen. Die Beweisnot, in der sich der Versicherungsnehmer im Entwendungsfall befindet, hat dazu geführt, dass der IV. Zivilsenat des BGH im Wege ergänzender Vertragsauslegung dem Versicherungsnehmer, aber auch dem Versicherer, Beweiserleichterungen zugebilligt hat.
1. Beweislast des Versicherungsnehmers für die Entwendung
a) Materiell-rechtliche Risikozuweisung – das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung
Nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien den versicherten Entwendungsfall schon dann als erwiesen ansehen wollen, wenn Tatsachen feststehen, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme gegen den Willen des Versicherungsnehmers schließen lassen. Denn der Versicherungsnehmer wollte sich gerade auch gegen das Entwendungsrisiko versichern, was für den Versicherer bei Vertragsschluss auch erkennbar war. Der Versicherungsnehmer genügt daher seiner Beweislast schon dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung darlegt und beweist. Er muss dazu ein Mindestmaß an Tatsachen vortragen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Entwendung zulassen. Das Mindestmaß ist in der Regel erfüllt, wenn er vier Tatsachen beweist, nämlich dass
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er oder eine Person, der das Fahrzeug zum Gebrauch überlassen wurde, |
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das Fahrzeug an einem bestimmten Ort |
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zu einer bestimmten Zeit abgestellt und später |
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dort nicht mehr vorgefunden hat. |
Das sind die vier hinreichenden, aber auch notwendigen Bedingungen für die Annahme des Vorliegens des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Entwendung. Eine Anscheinsbeweissituation, aus der auf die Tatbestandsbestandteile des äußeren Bildes oder sogar auf das Vorliegen des Entwendungstatbestandes selbst geschlossen werden könnte, fehlt mangels eines typischen Entwendungstatbestandes.
Die Form der Beweiserleichterung ist auch außerhalb des Bereichs des Anscheinsbeweises als eine von den Parteien des Versicherungsvertrags nach ihrer Interessenlage gewollte, dem Vertrag innewohnende Verschiebung des Eintrittsrisikos und damit als materiell-rechtliche Risikozuweisung zu verstehen. Sie hängt nicht von der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers ab, weil auch einem unglaubwürdigen Versicherungsnehmer ein Fahrzeug gestohlen werden kann. Dies führt dazu, dass bei der Bewertung im Rahmen persönlicher Anhörung des Versicherungsnehmers durch den Tatrichter Vorsicht geboten ist.
b) Vollbeweis des Versicherungsnehmers nach § 286 ZPO für die Minimaltatsachen
aa) Grundzüge
Von der materiell-rechtlichen Risikozuweisung zu unterscheiden ist die Frage, ob der Versicherungsnehmer die zum äußeren Bild gehörenden genannten vier Minimaltatsachen bewiesen hat. Dafür ist der nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses zu führende Vollbeweis erforderlich. Nicht ausreichend ist die Anzeige des Diebstahls bei der Polizei. Hat der Versicherungsnehmer den Beweis des äußeren Bildes einer Entwendung durch glaubhafte Zeugenaussagen und glaubwürdige Zeugen geführt, hat er den ihm obliegenden Beweis einer bedingungsgemäßen Entwendung erbracht. Zweifel an seiner eigenen Glaubwürdigkeit sind dann erst bei der Frage von Bedeutung, ob der Versicherer Tatsachen bewiesen hat, die eine erhebliche Wah...