Der klagende Verein begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 9.8.2009 in … ereignet hat.
Die Erstbekl. befuhr mit ihrem Fahrzeug, das bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert ist, die … und wollte nach links in die … abbiegen. Sie hatte den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und hielt das Fahrzeug vor dem Abbiegen an.
Zur selben Zeit befuhr der Zeuge … mit einem Notarzteinsatzfahrzeug des Kl., an dem Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet waren, die … in gleicher Fahrtrichtung und näherte sich von hinten dem stehenden Fahrzeug der Erstbekl. Im Notarzteinsatzfahrzeug befand sich als Notarzt der Zeuge … In der Folge bog die Erstbekl. nach links ab und stieß dabei mit dem sie überholenden Einsatzfahrzeug zusammen.
Die Zweitbeklagte hat den Schaden des Kl. auf der Grundlage einer Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Bekl. reguliert. Mit seiner Klage verfolgt der Kl. den nicht regulierten Schaden.
Der Kl. hat die Auffassung vertreten, dass die Erstbekl. § 38 Abs. 1 StVO verletzt habe. Darüber hinaus habe sie gegen die doppelte Rückschaupflicht und die Pflicht, sich möglichst weit links einzuordnen, verstoßen. Demgegenüber habe der Zeuge … davon ausgehen dürfen, dass die Erstbekl. ihm freie Bahn verschaffen würde. Das rechtfertige die Alleinhaftung der Bekl.
Die Bekl. haben eingewandt, es sei nicht vorgetragen, dass tatsächlich höchste Eile geboten gewesen sei, um Sonderrechte in Anspruch zu nehmen. Der Zeuge … hätte auch, da die Erstbekl. den linken Blinker gesetzt und sich zur Fahrbahnmitte eingeordnet habe, damit rechnen müssen, nicht wahrgenommen worden zu sein. Es sei deshalb von einer unklaren Verkehrslage i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO auszugehen. Daraus ergebe sich eine Mithaftung des Kl. von jedenfalls 1/3.
Das AG hat die Zeugen … und … zum Unfallgeschehen vernommen und die Erstbekl. informatorisch angehört. Danach hat es der Klage in der Hauptsache stattgegeben. Die Erstbekl. habe gegen §§ 38 Abs. 1, 9 Abs. 4 StVO verstoßen. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass das klägerische Fahrzeug zum Kreis der Sonderrechtsträger nach § 35 Abs. 1 StVO gehört habe. Den Insassen des Rettungsfahrzeuges sei nämlich von der Rettungsleitstelle Saarland mitgeteilt worden, dass ein medizinischer Notfall vorliege mit Verdacht auf Herzinfarkt, weshalb der Fahrer des Rettungsfahrzeuges zu Recht beide Sondersignale eingesetzt habe. Die Erstbekl. habe darüber hinaus ihrer Verpflichtung zur zweiten Rückschau nicht genügt, da sie – wie sie selbst eingeräumt habe – ihre Aufmerksamkeit auf den Gegenverkehr gerichtet und das Sonderrechtsfahrzeug weder gesehen noch gehört habe. Dem gegenüber habe sich der Fahrer des Rettungsfahrzeuges darauf verlassen dürfen, dass die Erstbekl., die angehalten habe, ihn wahrgenommen hatte. Das Maß der Unfallverursachung sei insofern auf der Beklagtenseite so groß, dass die von dem Kl. zu verantwortende Mitverursachung nicht ins Gewicht falle.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Bekl. weiter die Abweisung der Klage. Sie rügen eine fehlerhafte Rechtsanwendung des AG. Die Erstrichterin sei schon von einer falschen Anspruchsgrundlage ausgegangen, da nicht § 3 Nr. 1 PflVG a.F., sondern § 115 VVG für den Streitfall maßgeblich sei. Darüber hinaus habe die Erstrichterin zu Unrecht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Wegerechts nach § 38 Abs. 1 StVO bejaht. Es sei weder vorgetragen noch bewiesen worden, dass höchste Eile geboten gewesen sei, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Im Übrigen müsse sich der Kl. selbst dann eine Mithaftung von 1/3 anrechnen lassen, wenn er sich zu Recht auf § 38 Abs. 1 StVO berufen könne. Bei einer nachgewiesenen Geschwindigkeit des Einsatzwagens innerorts zwischen 70 und 80 km/h sei die Betriebsgefahr so massiv erhöht, dass eine Mithaftung von 1/3 gerechtfertigt sei. Es greife aber auch eine Verschuldensmithaftung auf Klägerseite. Ausgehend davon, dass das Beklagtenfahrzeug mit eingeschaltetem linken Fahrtrichtungsanzeiger an der Fahrbahnmittelinie gestanden habe, habe sich der Fahrer des Einsatzwagens nicht darauf verlassen dürfen, dass die Erstbekl. ihn auch wahrgenommen hatte. Denn es wäre zu erwarten gewesen, dass das Beklagtenfahrzeug an den rechten Fahrbahnrand oder sogar darüber hinaus auf den Gehweg gezogen worden wäre. Der Fahrer des Einsatzwagens hätte deshalb seine Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h deutlich zurücknehmen und bremsbereit sein müssen, um den Unfall vermeiden zu können.