Bereits im Jahr 1984 titelte das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL mit "Volkssport Versicherungsbetrug". Dieser "Volkssport" dürfte aber wohl viel länger existieren, wahrscheinlich solange es Versicherungen gibt. Dabei gibt es den Rechtsbegriff Versicherungsbetrug gar nicht, sondern er ist ein Teil des allgemeinen Betrugstatbestands des § 263 StGB. Lediglich in § 263 Abs. 3 Ziff. 5 wird als besonders schwerer Fall des Betrugs derjenige Fall genannt, wenn jemand "einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat."
Damit wäre also beispielhaft der Tatbestand erfasst, wo ein Versicherungsnehmer seinen teuren Sportwagen in Brand setzt und als Kaskoschaden zur Entschädigung anmeldet. Nicht erfasst wäre der Fall, wenn er das Fahrzeug in den Rhein fährt; zumindest nicht als besonders schwerer Fall des Betrugs.
Daneben gibt es den Straftatbestand des Versicherungsmissbrauchs, § 265 StGB, der bei genauer Subsumtion bereits die bösen Gedanken unter Strafe – immerhin bis zu 3 Jahre – stellt. Dies macht folgender Sachverhalt deutlich:
Der Versicherungsnehmer kann die von seiner Erbtante geschenkte wertvolle und versicherte Vase nicht ausstehen. In der Absicht diese als Versicherungsfall zu melden, wirft er sie auf den Boden. Dort zerschellt sie leider nicht, weil sie unbeabsichtigt von der gepolsterten Couch auf den weichen Teppich fällt.
Versicherungsbetrug findet also im Wortsinne eigentlich nur zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer statt. Doch nicht nur der Volksmund, sondern auch unter Juristen selbst gilt der Begriff des Versicherungsbetrugs dann als gegeben, wenn in irgendeiner Weise eine Versicherung getäuscht werden soll.
Und hier bieten Schadens- und Haftpflichtfälle einen großen Fundus an Betrugsmöglichkeiten. Das beginnt bei sog. Papierunfällen oder gestellten Unfällen, letztere gerne mit gemieteten, gestohlenen Pkw oder jüngst mit Mofas. Aber auch echte Geschädigte können einen Betrugstatbestand verwirklichen, wenn sie etwa eine nicht erlittene HWS-Distorsion als Unfallfolge zur Entschädigung anmelden oder den tatsächlich erlittenen materiellen Schaden auf phantasievolle Weise vergrößern. Ob tatsächlich, wie Zahlen des GDV angeben, jeder 10. gemeldete Schadensfall dem Grunde und/oder der Höhe nach unlauter ist, mag dahinstehen. Jedenfalls sind es so viele, dass auch redliche Versicherungsnehmer und redliche Geschädigte oft in Generalverdacht geraten und bei der Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche hohe Beweishürden und lange Bearbeitungszeiten in Kauf nehmen müssen.
An anderer Stelle wäre ein genaueres Hinsehen sinnvoll: Nicht jeder Unfall, der den Anscheinsbeweis gegen den Schädiger begründet, war "unfreiwillig". Immer mehr Betrüger nutzen bei Verkehrsunfällen den Anscheinsbeweis aus, um Schadenersatzleistungen zu erhalten. Da werden Vorfahrtsverletzungen, Spurwechselunfälle und ein Auffahren von hinten provoziert, meist so geschickt, dass der vermeintliche Schädiger keine Chance hat, dies zu vermeiden.
Der verzweifelte Ruf des eigenen Versicherungsnehmers, der Unfallgegner habe den Unfall "mit Absicht provoziert", bleibt ungehört, denn seine Beweissituation ist in der Regel äußerst schlecht. Er hat keine Zeugen im Auto, was meistens ein Wesensmerkmal bei provozierten Unfallsituationen ist. Was wäre da eine sogenannte Dash-Kamera wert?! Aus Sicht der Einzelfallgerechtigkeit sicherlich sehr viel. Zahlreiche provozierte Unfälle mit nicht unerheblichem volkswirtschaftlichen Schaden könnten so aufgeklärt werden. Richtig ist aber auch, dass die Persönlichkeitsrechte derjenigen Verkehrsteilnehmer, egal ob zu Fuß, zu Rad oder mit dem Pkw, die "zufällig" auf den Fahrten mit aufgenommen werden, dabei auf der Strecke bleiben. Hier gilt es in der Zukunft bei der Aufdeckung von Versicherungsbetrug und Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein behutsames Mittelmaß zu finden.
Autor: Andreas Krämer
RA Andreas Krämer, FA für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht, Frankfurt am Main
zfs 5/2015, S. 241