[4] "… II. Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Bekl. auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 RVG VV (nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) zu Unrecht bejaht …"

[7] 2. a) Die vom LG antragsgemäß festgesetzte 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV gehört nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Gegners i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, da der Berufungszurückweisungsantrag erst nach Rücknahme des Rechtsmittels gestellt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob durch die Einreichung der Berufungserwiderung am 14.11.2014 – wie das Beschwerdegericht meint – eine volle Verfahrensgebühr gegenüber den Bekl. angefallen ist. Denn die Entstehung der Verfahrensgebühr ist von ihrer Erstattungsfähigkeit streng zu unterscheiden (Maué, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Nr. 3200–3205 VV Rn 6).

[8] aa) Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Berufungsrücknahme der Berufungskläger (§ 516 Abs. 3 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen (vgl. nur Senatsbeschl. RVGreport 2006, 357 (Hansens) = AGS 2006, 516; BGH RVGreport 2007, 348 (Ders.) = AGS 2007,477; OLG Brandenburg RVGreport 2010, 194 (Ders.); OLG Düsseldorf RVGreport 2009, 22 (Ders.) = AGS 2008, 623; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn 13; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn 8). Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grds. auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (Senatsbeschl. a.a.O.; s. auch BGH RVGreport 2012, 229 [Hansens] = zfs 2012, 285 mit Anm. Hansens; BGH RVGreport 2012, 351 [Ders.] = zfs 2012, 524 mit Anm. Hansens = AGS 2012, 493; BGH RVGreport 2014, 74 [Ders.] = zfs 2014, 46 mit Anm. Hansens = AGS 2014, 94).

[9] bb) Die Frage, ob im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird, auch dann erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht, ist in der obergerichtlichen Rspr. und in der Literatur umstritten. Nach der unter anderem vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung sind die Kosten des Rechtsmittelgegners in diesen Fällen dann erstattungsfähig, wenn weder der Partei noch ihrem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der Einreichung der Berufungserwiderung bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Rücknahme des Rechtsmittels bereits erfolgt war (s. auch OLG München BeckRS 2010, 27585; OLG Celle RVGreport 2010, 195 (Hansens) = AGS 2010, 362: Erstattungsfähigkeit der Kosten einer nach Klagerücknahme eingereichten Klageerwiderung; Maué a.a.O. Rn 8; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3201 VV Rn 9, 88, Anhang XIII Rn 46 ff m.w.N. zum Streitstand). Nach anderer Auffassung sind die Kosten eines Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Berufungszurückweisungsantrags die Berufung bereits zurückgenommen war. Auf die (unverschuldete) Unkenntnis des Berufungsbeklagten von der Rücknahme des Rechtsmittels komme es nicht an (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; s. auch BGH RVGreport 2007, 348 (Ders.) = AGS 2007, 477: keine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten bei Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung; OLG Düsseldorf a.a.O.: keine Erstattung von Anwaltskosten bei Klageerwiderung nach Klagerücknahme; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn 13; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn 8; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn 48).

[10] cc) Der Senat folgt der Auffassung, nach der die Einreichung einer Berufungserwiderung (mit Berufungszurückweisungsantrag und/oder Sachvortrag) nach Rücknahme des Rechtsmittels keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch zugunsten des Rechtsmittelgegners auslöst. Nach dem unter aa) dargestellten Maßstab stellt die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO objektiv erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Denn die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen (vgl. BGH RVGreport 2007, 348 (Ders.)). Die Gegenmeinung lässt dabei außer Betracht, dass im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten die objektive Sicht einer verständigen und wirtschaftlich v...

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