Ein großes Thema der §§ 73, 74 OWiG ist stets die Frage der genügenden Entschuldigung des Ausbleibens des Betroffenen.
Zum von vornherein befristeten längeren Auslandsaufenthalt (hier: einjähriges Studienförderprogramm) wurde entschieden, dass diese Abwesenheit jedenfalls dann eine genügende Entschuldigung darstellt, wenn sich der Betroffene bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides im Ausland aufhielt, der – vor allem finanzielle – Aufwand für eine Rückreise außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und weder unter dem Gesichtspunkt des drohenden Verlustes von Beweismitteln noch unter dem Gesichtspunkt einer drohenden Verfolgungsverjährung eine Hauptverhandlung vor dem geplanten Rückkehrtermin erforderlich ist.
Ein vom Betroffenen gebuchter und bereits angetretener Kurzurlaub im benachbarten Ausland steht dagegen dem Erlass eines Verwerfungsurteils nicht ausnahmslos entgegen. Im Einzelfall kann es dem Betroffenen unbeschadet der damit verbundenen Unannehmlichkeiten auch zumutbar sein, einen Kurzurlaub im benachbarten Ausland einen Tag früher als geplant zu beenden, um sein Erscheinen in der Hauptverhandlung zu ermöglichen.
Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren ist allgemein anerkannt, dass ein Ausbleiben zu einem Gerichtstermin auch dann als entschuldigt anzusehen sein kann, wenn es auf einem – auch unrichtigen oder rechtsirrigen – Rat oder Hinweis des Verteidigers beruht. Ein Vertrauen auf einen entsprechenden Hinweis des Verteidigers ist dann nicht gerechtfertigt, wenn sich dem Betroffenen nach der konkreten Sachlage Zweifel aufdrängen müssen, ob die Äußerung seines Verfahrensbevollmächtigten zutreffend ist, ggf. besteht eine Nachforschungspflicht bei Gericht. Für den Betroffenen, der juristischer Laie ist, sind Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft des Verteidigers nicht erkennbar, das Gericht müsse erst über ein Ablehnungsgesuch befinden, vorher könne der Hauptverhandlungstermin nicht durchgeführt werden, deshalb müsse der Betroffene nicht erscheinen. Wurde der Betroffene von seinem Verteidiger über einen gestellten und begründeten Verlegungsantrag entsprechend informiert und bestehen für den Betroffenen keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Information, ist sein Ausbleiben im Hauptverhandlungstermin als entschuldigt anzusehen.
Ein normalerweise nicht gerechtfertigtes Ausbleiben aus beruflichen Gründen kann zum entschuldigten Ausbleiben führen, wenn das Gericht zuvor telefonisch signalisiert hatte, einem entsprechend begründeten und mit Nachweisen versehenen Antrag auf Terminsverlegung stattzugeben.
Grundsätzlich muss das Gericht 15 Minuten auf den Betroffenen bzw. den Verteidiger warten, bevor es das Verwerfungsurteil erlässt. Maßgeblich für die Berechnung der Wartepflicht ist die angesetzte Terminsstunde und nicht der Beginn der Hauptverhandlung. Nur auf diesen Zeitpunkt können die Verfahrensbeteiligten ihr Verhalten abstellen. Teilt der Betroffene noch vor dem Termin oder in der normalen Wartezeit von fünfzehn Minuten die Gründe seiner voraussichtlichen Verspätung mit und kündigt er sein Erscheinen in angemessener Zeit an, so ist das Gericht mit Rücksicht auf die aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens abzuleitende Fürsorgepflicht gehalten, einen längeren Zeitraum zuzuwarten. Nur wenn dem Gericht ein weiteres Zuwarten wegen anstehender weiterer Termine nicht zumutbar ist, gebührt dem Gebot der termingerechten Durchführung der Hauptverhandlung der Vorrang. War die Hauptverhandlung kurzfristig unterbrochen, um dem Verteidiger Gelegenheit zu einer – zuvor gerichtlich verlangten – schriftlichen Formulierung eines Beweisantrags zu geben, verstößt die Fortsetzung der Verhandlung und Urteilsverkündung in Abwesenheit des Betroffenen (§ 231 Abs. 2 StPO findet keine entsprechende Anwendung) jedenfalls dann gegen das Teilnahmerecht des Betroffenen, wenn die vorgesehene Unterbrechungsdauer nur kurzfristig überschritten wurde und begründete Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene nicht alsbald noch erscheinen werde, fehlen.
Zur Glaubhaftmachung eines krankheitsbedingten Ausbleibens in der Hauptverhandlung genügt im Wiedereinsetzungsverfahren ein ärztliches Attest nur dann, wenn es konkrete Angaben über die Erkrankung enthält. Zur Erinnerung: Die Nichtangabe der Art der Erkrankung mindert die Attestqualität für die Frage des Entschuldigtseins in der Hauptverhandlung zur Zeit des Erlasses des Verwerfungsurteils jedoch nicht. Ggf. muss das Gericht im Freibeweis nachforschen.