" … 1. Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zuzulassen und auf den Senat zu übertragen. Zwar ist die Frage des Vorliegens einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung i.d.R. als eine solche des Einzelfalls anzusehen (KG, Beschl. v. 29.9.2000 – 2 Ss 218/00, juris). Der Bußgeldrichter hat hier bei der Beurteilung der Frage, ob eine vorsätzliche Begehensweise vorliegt, jedoch gerade nicht anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden, sondern einen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, wonach daraus, dass der Betr. mit einer Geschwindigkeit von mehr als 24 % über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren ist, auf eine bedingt vorsätzliche Begehungsweise geschlossen werden könne. Dies entspricht nicht der st. obergerichtlichen Rspr. (siehe dazu unten 2.). Die Rechtsbeschwerde war daher zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zuzulassen und auf den Senat zu übertragen, zumal davon auszugehen ist, dass sich ähnliche Fallkonstellationen wiederholen können."
2. Die Rechtsbeschwerde des Betr. hat teilweise Erfolg, da die Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise keinen Bestand haben konnte. Der Senat hat insoweit von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, gem. § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst zu entscheiden und wegen fahrlässiger Begehungsweise verurteilt und das Bußgeld ermäßigt. Im Übrigen hatte die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg.
a) Die Feststellungen zur objektiven Tatseite im angefochtenen Urt. lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Messungen mit dem Messgerät LEIVTEC XV 3 sind von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn 1327a). Die Messung ist als standardisiertes Messverfahren anerkannt (vgl. dazu AG Gelnhausen, Urt. v. 6.7.2012 – 44 OWi–2575 Js 6195/12, juris; AG Wetzlar, Urt. v. 5.6.2012 – 45 OWi–2 JS 53476/12, juris). Eine Verfahrensrüge zur Ordnungsmäßigkeit der Messung ist vom Betr. nicht erhoben worden.
b) Die Verurteilung wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit konnte hingegen keinen Bestand haben.
Die Verurteilung wegen Vorsatzes bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn setzt zum einen Kenntnis von der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung und zum anderen Kenntnis von ihrer Überschreitung voraus (vgl. dazu etwa KG VRS 122, 232; OLG Zweibrücken DAR 2011, 274). Das AG hat hier die Kenntnis des Betr. von der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung daraus abgeleitet, dass der Betr. drei Schilderpaare mit der Geschwindigkeitsbegrenzung passiert hatte. Diese Schlussfolgerung entspricht der obergerichtlichen Rspr., wonach davon ausgegangen werden kann, dass ordnungsgemäß aufgestellte Vorschriftszeichen von Verkehrsteilnehmern in aller Regel wahrgenommen werden, auch wenn es dazu keine genauen, durch wissenschaftliche Erhebungen gesicherten Erkenntnisse geben mag (vgl. BGHSt 43, 241, 250; OLG Jena DAR 2008, 35; OLG Celle NZV 2011, 618). Die Möglichkeit, dass der Betr. das Vorschriftszeichen übersehen hat, brauchen die Gerichte nur in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben oder der Betr. dies im Verfahren einwendet (BGH, a.a.O.). Genau dies war hier nicht der Fall. Der Betr. hat sich nicht darauf berufen, die Begrenzung übersehen zu haben, sondern die Ordnungsmäßigkeit der Messung angezweifelt.
Die Feststellungen des AG zur Kenntnis des Betr. von der Überschreitung dieser Geschwindigkeitsbegrenzung können jedoch keinen Bestand haben. Das AG stützt diese Feststellungen, also dass der Betr. eine Überschreitung der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung für möglich hielt, auf den Erfahrungssatz, dass der Betr. bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 % über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anhand der Fahrgeräusche und anhand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert, seine Geschwindigkeit ohne Weiteres zuverlässig schätzen und erkennen könne, dass er die erlaubte Geschwindigkeit wesentlich überschreite. Dies lässt sich mit der bestehenden obergerichtlichen Rspr. zur Annahme von vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht vereinbaren.
In der obergerichtlichen Rspr. ist anerkannt, dass bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen i.d.R. von vorsätzlicher Begehungsweise ausgegangen werden kann, wenn anhand der Motorengeräusche, der sonstigen Fahrgeräusche, der Fahrzeugvibration und anhand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung ändert, der Fahrer zuverlässig einschätzen kann und dadurch erkennt, dass er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit wesentlich überschreitet (vgl. dazu OLG Koblenz DAR 1999, 227; KG, Beschl. v. 29.9.2000 – 2 Ss 218/00; OLG Celle NZV 2011, 618; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 249; OLG Düsseldorf NZV 1995, 161; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 3 StVO, Rn 56). Bei “erheblichen‘ Geschwindigkeitsüberschreitungen i.S.d. Rspr. handelt es sich um Werte von
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38,75 % (KG, Beschl. v. 16.6.1999 – 2 Ss 130/99), |
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40 % (KG, Bes... |