Zur Verwertung von Videoaufnahmen im Straßenverkehr als Beweismittel für Verkehrsverstöße vgl. AG München zfs 2014, 149 und zfs 2014, 692, 692; VG Ansbach zfs 2014, 687).
1. Die Prüfung der Zulässigkeit von Videoaufnahmen unter Anlegung des Maßstabes der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) führt nicht zu einer Lösung des Problems für den deutschen Rechtsraum. Die EMRK und ihre Zusatzprotokolle, die 1952/1953 durch Zustimmung des Bundesgesetzgebers zu einer Transformation eines multilateralen völkerrechtlichen Vertrags Bundesrecht geworden sind (vgl. zur Zustimmung und zur Neubekanntmachung der Konvention im Jahre 2002 BGBl 2002 II S. 1054; BVerfGE 111, 307, 316), enthalten in Art. 8 Abs. 1 der EMRK die Verbürgung des Grundrechts, dass jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens hat. Spektakuläre Fälle zu dieser Bestimmung bieten die Entscheidungen zu dem Persönlichkeitsschutz der Prinzessin Caroline von Monaco (vgl. EGMR 2004, 2467 f.; EGMR 2012, 1053), wobei der EGMR in der ersteren Entscheidung dem BVerfG vorgeworfen hatte, dass die Rspr. deutscher Gerichte einschließlich des BVerfG gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstieße. Das BVerfG ist dieser Auffassung des EGMR entgegengetreten und hat lediglich konzediert, dass deutsche Behörden und Gerichte nicht an Entscheidungen des EGMR gebunden seien, sondern lediglich verpflichtet seien, diese Urteile angemessen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG NJW 2004, 3407, 3408; Mann, NJW 2004, 3220). Reibungsfreiheit zwischen dem EGMR und dem BVerfG ist damit nicht hergestellt. Einerseits hat die EMRK den Rang eines einfachen Bundesgesetzes, so dass bei der Auslegung sonstigen deutschen Rechts vor allem im Verhältnis zu dem vom BVerfG wahrzunehmenden Grundrechtsschutz das "unterrangige" Recht der EMRK schwerlich verbindliche Anweisungen geben kann (vgl. auch O. Klein, NVwZ 2010, 221 ff.). Andererseits begründet Art. 46 EMRK die völkerrechtliche und inländische Verpflichtung, dass die vertragsschließenden Staaten verpflichtet sind, die Urteile des EGMR zu verfolgen.
2. So gesehen war es eine interessante Frage, ob der EGMR zu der Auffassung der Unzulässigkeit von Videoaufnahmen gelangte und ob und ggf. auf welchem Weg diese Auffassung in Auslegungsergebnisse deutscher Gerichte einfließen könnte. Die auf der Grundlage spanischen Rechts ergangene Entscheidung gibt für die allein in Frage stehende Konstellation nichts her. Die Auslegung des Art. 8 Abs. 1 EMRK, die das Gericht vornimmt, schließt die Fertigung und den Einsatz von Videoaufnahmen im Straßenverkehr aus dem Schutzbereich der Vorschrift aus, wobei der Gerichtshof trotz fehlender Verbreitungen von Bildern aus dem Privatleben des Beeinträchtigten – wie im Falle der Entscheidungen zum Schutz der Prinzessin von Monaco vor Paparazzi – zu der grundsätzlichen Notwendigkeit des Schutzes des Privatlebens auch bei einer Fertigung der Bilder ohne Verbreitungsabsicht gelangt. In erfreulicher Zurückhaltung gegenüber den Bedürfnissen und Regelungen des nationalen Rechts wird eine Beschränkung der Einsatzbefugnis der Videoaufnahmen verneint, so dass nach dem Recht der EMRK von einer Unzulässigkeit der Fertigung von Videoaufnahmen und deren Einsatzes im Rechtsstreit nicht ausgegangen werden kann. Erfreulich ist, dass der EGMR als weitere ergebnisorientierte Begründung anführt, dass die Videoaufnahme den versuchten Prozessbetrug des Beschwerdeführers hinsichtlich der von ihm vorgetäuschten Unfallfolgen verhindert hat.
Sollte das deutsche Recht einen weitergehenden Grundrechtsschutz gegen den Einsatz gefertigter Videoaufnahmen enthalten, würde die Entscheidung des EGMR keine Sperrwirkung entfalten, so dass die Art der Berücksichtigung der Entscheidung nicht zu prüfen ist.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 6/2015, S. 330 - 332